Die Rueckkehr der Templer - Roman
überlegene Miene auf, als sie sich zu ihren Geschwistern umwandte. »Lion erwartet uns in einer Stunde am alten Hafenhangar. Wir dürfen ihn nicht enttäuschen.«
Es regnete immer noch, tagelang, wochenlang, und die Stürme hatten den Höhepunkt ihrer Vernichtungskraft noch lange nicht erreicht. Der Süden der ehemaligen Vereinigten Staaten von Amerika war wegen der zunehmenden Klimaveränderung zur Heimat gigantischer Tornados geworden. Was vor einhundert Jahren ab und an einmal geschehen war, gehörte mittlerweile zur Tagesordnung. Die Gegend, die früher einmal zu Texas gehört hatte, war schon seit langem so gut wie unbewohnbar, weil sie permanent unter Wasser stand. Lion Ho Chang, der von der Neuen Welt am meisten verfolgte Rebellenführer, wusste um den Vorteil der Katastrophe, als er seinen Hypergleiter gut dreißig Meter über den aufpeitschenden Wassermassen in den ehemaligen Hafen von Corpus Christi steuerte. Von den früheren, auf bis zu zwanzig Meter hohe Stelzen gebauten Vorratstanks für Öl und sonstige Chemikalien ragten nur noch die Kuppeln aus den Fluten. Wellen so hoch wie die Ruinen von Manhattan türmten sich auf und stoben unter dem scharfen Wind über die versinkende Speicherstadt. Lions Handfläche strich über das imaginäre holographische Steuerungspult, während die nackten Aluminiumgerüste der ehemaligen Hafenanlagen wie ein stählerner Wald an ihm vorbeisausten.
»Stabilisatoren neu berechnen.« Der automatisierte Befehl aus der Steuerungskanzlei drang lautlos in sein Gehirn. Ein weibliches Gesicht manifestierte sich aus Millionen von tanzenden Lichtpunkten. Es war denen von Lyn und Rona ähnlich. Ihr Konterfei hatte ihm für die Konfiguration der Steuerungskonsole des Gleiters Pate gestanden. Auch die vier Timeserver, die er mit Hilfe längst vergessener Konstruktionspläne reaktiviert hatte, zeigten ihnen ähnlich sehende Konterfeis.
|25| Die Befreiung der drei Geschwister aus einem der berüchtigten Zuchtlager der Neuen Welt war recht unruhig verlaufen. Lion und seine Getreuen hatten nicht zum ersten Mal auf diese Weise ihre jungen Krieger rekrutiert. Wie üblich hatten sie nichts dem Zufall überlassen und den Akt der Entführung als missglückten Fluchtversuch getarnt. Wahrscheinlich glaubten die ehemaligen Bewacher der drei immer noch, dass sie auf ihrer vermeintlichen Flucht ums Leben gekommen waren. Der damals von Lion eingesetzte zweite Gleiter war wie geplant mit einer spektakulären Explosion an einem Felsen zerschellt und aufgrund des berstenden Fusionsantriebes zu kosmischem Staub atomisiert, der jegliche DNA-Überprüfung unmöglich machte.
In Wahrheit hatte man die jungen Leute mit einem anderen Gleiter in die Tiefen des sterbenden amerikanischen Kontinents gebracht, um sie in den Katakomben der brodelnden Armenviertel von Chicago wieder in echte Menschen zu verwandeln. Noch an Bord hatte Lion seinen drei neuen Schützlingen in einer kurzen, schmerzlosen Operation den Überwachungschip entfernt. Lion war nicht nur Physiker, nebenbei war er Humanmediziner und hatte lange genug in der Hirnforschung gearbeitet, um jeden Chip im Körper eines Menschen auffinden und entfernen zu können.
Von diesem Moment an waren die drei sogenannte Nobodys, die nur noch als Schatten existierten. Ihr Dasein konnte fortan nicht mehr von den Überwachungsscannern der Neuen Welt, wie sich das Konsortium aus fünf Pseudostaaten mit ihren Regierungen und den in Wahrheit herrschenden Wirtschaftsunternehmen nannte, überwacht werden. Das bedeutete Freiheit, aber auch, dass ihnen keinerlei staatliche Essensrationen mehr zustanden, geschweige denn staatliche Fürsorge in Form eines Jobs, der ihnen in sklavenhafter Abhängigkeit das Auskommen gesichert hatte.
Relativ rasch begann Lion damit, die drei jungen Leute im Untergrundlager der National Rebels zu dem auszubilden, was man in Regierungskreisen als Terrorist bezeichnete. Von hier aus zogen seine Zöglinge über sämtliche Kontinente, um das Unrechtsregime der Neuen Welt zu destabilisieren. Doch so einfach, wie es sich anhörte, war es nicht. Der Feind verfügte über brillante Abwehrdienste, so dass es zu einem Umsturz bisher noch nicht gereicht hatte.
Vielleicht hatten es die Verlierer dieser letzten Schlacht nicht besser |26| verdient, sinnierte Lion in endlosen Nächten, die ihm auf brutale Weise seine Einsamkeit vor Augen führten. Anstatt die Gefahr zu erkennen und sich zu einer Großmacht zusammenzuschließen, hatten sich die
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