Die Rückkehr der Templerin
verlassen und nach Safet reiten. Ob du Bruder Rother mit dir nimmst oder nicht, ist deine Entscheidung, doch du wirst gehen, noch bevor die Sonne aufgeht. Und nun komm, bevor wir noch tatsächlich zu spät zum Gebet kommen.«
16. KAPITEL
Die Zahl der Tempelritter war gestiegen. Als sie Safet verlassen hatten, waren sie siebzig gewesen. Jetzt waren es an die zweihundert Männer, die im Kreis um Odo von Saint- Amand niedergekniet waren und mit ehrfürchtig gesenkten Häuptern seinen Worten lauschten. Auch Robin kniete mit gebeugtem Nacken und gefalteten Händen da, aber sie lauschte nicht, und als die Männer rings um sie herum zu singen begannen, bewegten sich zwar ihre Lippen, doch sie hätte nicht einmal sagen können, welches Lied es war.
Robin war noch immer vollkommen verwirrt. Dariusz’ Worte hatten einleuchtend geklungen, und sie hatte seine Wut gespürt, sich einem Befehl beugen zu müssen, der ihm so zuwider war - und doch spürte sie zugleich, dass etwas an seiner Geschichte nicht stimmte. Dariusz war kein Mann, der sich so ohne weiteres erpressen ließ oder zu irgendetwas zwingen. Aber warum sollte ausgerechnet er dafür sorgen wollen, dass ihr nichts geschah?
Sosehr sie sich auch den Kopf über diese Frage zerbrach, sie fand keine Antwort, und sie war so sehr in ihre Gedanken versunken, dass sie nicht einmal merkte, als die Prima zu Ende ging und der Großmeister die Krieger Gottes mit seinem Segen entließ. Sie war die Letzte, die sich erhob, und selbst das nur, weil sie die missbilligenden Blicke der anderen rings um sich herum spürte. Rasch sprang sie auf, rief sich in Gedanken zur Ordnung und spürte selbst, wie wenig dieser Versuch fruchtete; ganz im Gegenteil schien ihre Nervosität eher noch anzuwachsen, und als sie sich umdrehte und die Hände dabei weiter gefaltet vor der Brust hielt, tat sie es nicht, um stumm weiterzubeten, wie manche der Männer hier, sondern einzig, damit man ihr Zittern nicht sah.
Verstohlen suchte sie nach Rother. Er war ganz in ihrer Nähe niedergekniet, um zu beten, und er folgte ihr auch jetzt in nur wenigen Schritten Abstand, doch er wich ihren Blicken so beharrlich aus, dass Robin den Gedanken verwarf, ihn anzusprechen.
Bruder Dariusz wartete am Rande des freigebliebenen Platzes im Herzen des Lagers, auf dem sie sich zum Gebet versammelt hatten. Robin zerbrach sich einen Moment lang fast panisch den Kopf darüber, wie sie ausweichen könnte, ohne dass es auffiel oder er Gelegenheit fand, sie zurückzurufen, aber natürlich ließ Dariusz es gar nicht erst so weit kommen. Sie war noch gute zehn oder zwölf Schritte von ihm entfernt, als er auch schon die rechte Hand hob und sie zu sich befahl; in der anderen hielt er etwas Kleines, Weißes, das Robin im noch immer schwachen Licht des Morgens nicht richtig erkennen konnte; wahrscheinlich die Nachricht, von der er gesprochen hatte. Robin bezweifelte, dass auf dem eng zusammengerollten Pergament irgendetwas von Wichtigkeit stand, falls überhaupt etwas. Gerade wollte er sie ansprechen, als hinter ihr eine scharfe, leicht verärgert klingende Stimme ihren Namen rief.
Robin zögerte, und aus ihrem unguten Gefühl wurde etwas anderes, als sie den halb erschrockenen, halb auch verärgerten Ausdruck auf Dariusz’ Gesicht gewahrte, als auch dieser den Blick hob und nach dem Rufer Ausschau hielt. Mit klopfendem Herzen drehte sie sich um.
Niemand anderes als Odo von Saint-Amand und der Ordensmarschall selbst kamen mit raschen Schritten auf sie zu. Odo sah müde aus. In seinem ohnehin abgespannt wirkenden Gesicht waren neue, tiefe Linien erschienen, und seine Schritte wirkten ein ganz kleines bisschen schleppend, als trüge er eine unsichtbare Last auf den Schultern. Vermutlich hatte er in dieser Nacht nicht besonders viel geschlafen. Auch Ridefort wirkte auf die gleiche Art erschöpft, viel mehr jedoch noch verärgert.
»Bruder Robin«, begann der Ordensmarschall. »Was ist das?
Eine Herausforderung oder nur Nachlässigkeit?«
Robin verstand nicht einmal, wovon er sprach, doch sie wäre auch nicht dazu gekommen, zu antworten, denn Ridefort blieb zwei Schritte vor ihr stehen, machte eine herrische Handbewegung und fuhr in noch schärferem, lauterem Ton fort: »Wo sind Euer Schwert und Helm? Wieso erscheint Ihr barhäuptig und ohne Waffen zur Messe?«
Robin drehte sich verwirrt zu Dariusz um. Erst jetzt, im Nachhinein, fiel ihr auf, dass sie tatsächlich die Einzige unter allen Männern hier war, die weder ihren Helm
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