Die Rückkehr der Templerin
sie näher kam, als wäre da ein unsichtbarer Schutzschild, der sie umgab. Es war das Pferd, das den Weg zum Fluss hinab fand, nicht sie, vielleicht weil das Tier instinktiv den einzigen Ausweg suchte, den es aus dieser Orgie des Tötens und Mordens gab.
Auch über die Ufer des Litani hatte der Krieg seinen Schatten geworfen. Das Wasser des ruhig dahinfließenden Flusses hatte sich rot vom Blut der Erschlagenen gefärbt. Die Leichen von Menschen und Tieren trieben in seinen Fluten oder hatten sich im dichten Schilf des Ufers gefangen, und auch hier war das Klirren von Waffen und das Schreien sterbender und verwundeter Männer der einzige Laut, den sie hörte. Dennoch schien die Schlacht hier nahezu vorüber zu sein.
Und nahezu verloren, wie Robin bitter begriff. Die Leichen, die mit der Strömung vorübertrieben, waren fast ausschließlich die muselmanischer Krieger, doch sie wusste auch, wie furchtbar falsch dieser Eindruck war, wurden doch die Körper erschlagener christlicher Ritter vom Gewicht ihrer Rüstungen sofort unter Wasser gezogen. Noch immer langsam reitend, waffen- und wehrlos und mit leerem Blick, erreichte sie den Gürtel aus mannshohem Schilf, der das Ufer säumte, und hielt an.
Hier bot sich ihr ein anderer, grausam ehrlicher Anblick. Überall zwischen dem niedergebrochenen, geknickten Schilf lagen die Leichen leicht gerüsteter Fußsoldaten, die keine Kettenhemden oder Rüstungen getragen hatten, die sie vor den Pfeilen oder Schwertern der Sarazenen hätten schützen können. Es mussten Hunderte sein, wenn nicht Tausende, niedergestreckt wie Stroh unter der Klinge eines grausamen Schnitters, viele von ihnen noch am Leben, aber dennoch todgeweiht. Robin begriff plötzlich, wie schrecklich falsch der Eindruck gewesen war, den sie trotz allem bisher von der Schlacht gewonnen hatte. Inmitten der schwer gepanzerten Reiterei der Tempelritter war sie sich auch im Angesicht heranstürmender Feinde nahezu unverwundbar vorgekommen, doch das Privileg, das für die Soldaten Christi galt, hatte wenig Gültigkeit für die einfachen Fußtruppen und Waffenknechte gehabt. Was hier stattgefunden hatte, das war keine Schlacht gewesen, dachte sie bitter, sondern ein Massaker. Wohin sie auch blickte, sah sie verwundete und tote Männer beider Seiten und erschlagene Pferde.
Mit einer unendlich müden Bewegung lenkte sie ihr Pferd herum und dichter an den sumpfigen Uferstreifen heran. Blut und hochgespritztes Wasser hatten den Morast zu einem hässlichen Rosa verfärbt, in dem ihr Pferd immer wieder wegzurutschen drohte, und ein süßlicher, ekelerregender Geruch nach Verwesung stieg ihr in die Nase und ließ sie würgen. Sie wusste nicht, in welche Richtung sie sich wenden sollte, wo Safet war oder das Feldlager, sondern schlug die Richtung ein, in der die Kämpfe am wenigsten schlimm schienen. Eine verwundete Gestalt stemmte sich neben ihr aus dem Morast und streckte ihr eine blutbesudelte Hand entgegen. Gesicht und Kleidung waren so voller Schlamm und Blut, dass Robin nicht erkennen konnte, zu welcher Seite er gehörte. Spielte es eine Rolle?
Robin starrte mit leerem Blick auf ihn hinab. Ihr Pferd trabte langsam weiter, und dennoch war da eine leise Stimme in ihr, die ihr zuflüsterte, dass sie diesem Mann helfen müsse. Er war verwundet und brauchte sie, und es spielte keine Rolle, unter welcher Fahne er gekämpft hatte, ob es ein von einem christlichen oder einem heidnischen Hammer geschmiedetes Schwert gewesen war, das ihn verwundet hatte. Er würde sterben, noch bevor der Tag zu Ende war, und in derselben Erde begraben werden wie seine Mörder.
Sie ritt noch ein kurzes Stück weiter, hielt dann doch an und drehte sich müde im Sattel herum. Irgendetwas an dem Verletzten hatte ihre Aufmerksamkeit erregt, aber sie konnte selbst nicht sagen, was. Er war nur einer von hunderten, die im zertrampelten Schilf des Ufers lagen, und doch …
Vielleicht war es nur ihr Gewissen, das ihr zu schaffen machte. Sie hatte ein Leben genommen, und so absurd der Gedanke war, vielleicht war es einfach ihre Pflicht, ein anderes dafür zu retten.
Es kostete sie erhebliche Mühe, das widerstrebende Pferd auf der Stelle umzudrehen und wieder zu dem Verletzten zurückzureiten. Die Hufe des Tieres kamen nur schwer aus dem sumpfigen Boden frei und verursachten dabei schmatzende Geräusche, als versuche der Morast mit aller Kraft, sein Opfer festzuhalten, und Robin überlegte einen Moment ganz ernsthaft, ob sie diesen Umstand als
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