Die Rückkehr der Templerin
hochkommen sollen«, erwiderte Nemeth stirnrunzelnd. »Fliegen kann ich nämlich noch nicht.«
»Ich kenne eine Stelle, an der man leicht an der Wand nach oben klettern kann«, antwortete Rother. Sein Blick wurde besorgt, als er sich wieder zu Robin umwandte, und seine Augen stellten eine lautlose Frage, die sie mit einem ebenso stummen Kopfschütteln beantwortete. Sie musste nicht einmal in sich hineinlauschen, um zu wissen, dass sie auf gar keinen Fall in der Lage war, die Kletterpartie zu bewältigen, die Rother vorgeschlagen hatte.
Er schien allerdings mit genau dieser Antwort gerechnet zu haben, denn er zuckte nur fast resignierend mit den Schultern und begann seinen Schwertgurt abzuschnallen. Rasch entledigte er sich des Wappenrocks, seines Kettenhemds und auch der Stiefel. Nemeth sah ihn nur mit wachsender Verblüffung an, aber Robin wusste natürlich, was Rother von ihr erwartete. Sie fragte sich, warum sie nicht von selbst darauf gekommen war.
»Zieh das an«, sagte Rother. »Aber du solltest warten, bis das Mädchen und ich weg sind. Ich bringe Nemeth nach Hause, dann komm ich mit Hilfe zurück.«
»Ich lasse Robin nicht im Stich!«, protestierte Nemeth.
»Rother hat Recht«, beruhigte Robin sie. »Mach dir keine Sorgen. Mir kann gar nichts passieren. Wie sind hier im Hauptquartier des Ordens. In diesen Kleidern werde ich praktisch unsichtbar. Sobald ihr in Sicherheit seid, kann ich einfach hier hinausspazieren, und niemand wird eine Frage stellen.«
Ganz so einfach würde es nicht werden, das musste auch Rother klar sein, aber er fing wohl im letzten Moment Robins beschwörenden Blick auf, denn er sagte nichts Entsprechendes, sondern stimmte ihr im Gegenteil zu. »Vielleicht solltest du dich einfach eine Weile verstecken. Am Nachmittag wird mit der Ankunft einer Gruppe Reiter aus Safet gerechnet. Sicherlich zwanzig Mann, wenn nicht mehr. Sie werden ihre Pferde herunterbringen. Wenn sie den Stall verlassen, kannst du dich unauffällig unter sie mischen. Niemandem wird es auffallen.«
»Am Nachmittag?« Das war eine lange Zeit.
Rother machte eine beruhigende Geste. »Nur für alle Fälle. Keine Sorge. Bis dahin bin ich längst zurück, und du wirst sicher hier herausgebracht.«
»Warum tust du das, Rother?«, fragte Robin.
»Weil es mein Befehl ist, auf dich acht zu geben«, antwortete Rother, doch Robin schüttelte heftig den Kopf.
»Nein«, sagte sie. »Das ist vielleicht dein Befehl, aber nicht der Grund, aus dem du es tust. Niemand, nicht einmal Bruder Dariusz oder Bruder Abbé und vermutlich nicht einmal der König selbst könnten dich dazu zwingen, etwas zu tun, was du nicht wirklich willst.« Sie machte eine Kopfbewegung auf seine Kleider, die neben ihr lagen. »Das da hätte dir ganz einfach nur nicht einzufallen brauchen, und ich wäre praktisch schon so gut wie tot. Aber es ist dir eingefallen.«
»Und was genau willst du damit sagen?« Rother sah sie mit schräg gehaltenem Kopf an. Er wirkte angespannt.
»Fragen, Rother, nicht sagen«, korrigierte ihn Robin. »Du riskierst dein Leben für mich. Dabei habe ich in deinen Augen alles verraten, woran du glaubst und wofür unser Orden steht. Warum?«
»Vielleicht, weil ich mich dasselbe frage«, antwortete Rother ernst. »Warum? Es muss einen Grund geben. Einen wichtigen Grund, denn du hast mächtige Freunde, wie es aussieht. Vielleicht bin ich einfach nur neugierig und will wissen, was dahinter steckt.«
»Ich werde den Orden verlassen«, sagte Robin unvermittelt.
»Weil dein Geheimnis keines mehr ist?« Rother schüttelte den Kopf. »Ich werde nichts sagen.«
»Nein«, antwortete Robin. »Es hat nichts mit dir zu tun. Mir ist klar geworden, dass ich nicht zu euch gehöre. Nicht wirklich. Ich … ich habe gedacht, es wäre mein großer Traum. Alles, wofür ich wirklich lebe. Aber während der Schlacht am Litani habe ich begriffen, dass das nicht stimmt.«
»Es war entsetzlich«, sagte Rother mitfühlend, aber Robin unterbrach ihn sofort wieder.
»Ich habe einen Mann getötet«, sagte sie.
»Nur einen?«, fragte Rother. »Weißt du, wie viele tapfere Männer während der Schlacht den Tod gefunden haben, auf beiden Seiten?«
»Das war etwas anderes«, sagte Robin leise. »Er war …« Die Erinnerung drohte sie zu überwältigen. Für einen Moment war sie wieder auf dem Schlachtfeld, und für einen schrecklichen Augenblick spürte sie noch einmal den ungläubigen Blick seiner Augen, hörte noch einmal das schreckliche, reißende
Weitere Kostenlose Bücher