Die Rückkehr der Templerin
als Dank anbieten kann.«
Dariusz sah sie auf sonderbare Weise nachdenklich an, eine Art der Nachdenklichkeit, die Robin nervös machte. Sie konnte es sich nicht wirklich erklären, hatte aber dennoch das nahezu sichere Gefühl, schon wieder einen Fehler gemacht zu haben.
Der grauhaarige Tempelritter ließ weitere, endlose Sekunden verstreichen, in denen er sie unverwandt und auf dieselbe, seltsame Art ansah, aber schließlich nickte er. »Warum eigentlich nicht«, murmelte er. »Gott wird es mir kaum als sündhafte Völlerei auslegen, endlich einmal wieder an einem richtigen Tisch zu sitzen und von einem richtigen Teller zu essen. Doch wir müssen in längstens einer Stunde aufbrechen, Bruder Robin. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.«
»Eine Stunde genügt«, behauptete Robin. »Ihr werdet sehen, dass Saila eine wahre Künstlerin der Improvisation ist. Sie zaubert in einer Stunde ein Festmahl, das andere nicht an einem Tag fertig bringen.« Sie lächelte, doch als sie Dariusz’ Blick begegnete und das irgendwie verwirrt wirkende Stirnrunzeln auf seinem Gesicht sah, erlosch ihr Lächeln wie eine Kerze, die von einem Luftzug ausgeblasen wird, und sie wandte sich fast hastig um und deutete in die Richtung, in der Saila und ihre Tochter verschwunden waren. Sicher war es nur Einbildung. Sie war übernervös, und Dariusz’ fragender Blick mochte tausend andere Gründe haben - und dennoch nahm sie sich vor, in seiner Nähe nicht mehr so oft zu lächeln.
Unter dem Turban war von ihrem Gesicht nicht allzu viel zu erkennen, und es war zudem lange her, dass Dariusz sie das letzte Mal gesehen hatte. Robin hatte sich in der Zwischenzeit deutlich verändert. Es kam selten vor, dass sie sich selbst im Spiegel oder auf einer spiegelnden Wasseroberfläche sah, doch in letzter Zeit fielen ihr die Veränderungen immer deutlicher auf. Sie war älter geworden; deutlich älter, als es allein anhand der verstrichenen Monate der Fall hätte sein dürfen. Ihre Haut hatte einen dunkleren, fast schon ein wenig kupferfarbenen Ton angenommen, und die leise Strenge, die immer in ihren Zügen gelegen hatte, hatte sich im Nachhinein als die Spur der Entbehrungen und Strapazen herausgestellt, aus denen ihr Leben vor ihrer Ankunft in diesem Land bestanden hatte.
Während der Monate, die sie zusammen mit Dariusz, Bruder Abbé und den anderen Tempelrittern durch Europa bis Genua geritten war, war sie als sehr junger Mann mit sehr weichen Zügen durchgegangen; eine Rolle, die sie perfekt zu spielen gelernt hatte - schließlich hatte ihr Leben davon abgehangen, dass niemand ihre Maske durchschaute - und die sie zudem durch ein entsprechendes, manchmal bewusst rüdes Auftreten noch glaubhafter gestaltet hatte.
Aber seither war Zeit vergangen. Das gute Leben, das sie führte, hatte die Spuren des Hungers, der Kälte und der übermäßigen körperlichen Anstrengungen und schweren Arbeit fast vollkommen aus ihrem Gesicht getilgt. Robin machte sich klar, dass sie es einzig Dariusz’ Erinnerung zu verdanken hatte, dass er in ihr immer noch den jungen Mann sah, als den er sie kennen gelernt hatte. Wären sie sich nicht auf dem Weg nach Italien und auf dem Schiff begegnet, er hätte möglicherweise sofort die Frau in ihr gesehen. Vielleicht zweifelte er schon jetzt. Und sie erinnerte sich plötzlich zu gut an die vielen Gelegenheiten, bei denen Salim nicht müde geworden war, ihr zu versichern, wie sehr er ihr Lächeln liebte und wie schön er sie in diesen Momenten fand.
»Ihr sagt, Ihr seid auf Sheik Sinans Burg gewesen?«, erkundigte sich Dariusz, während sie gemessenen Schrittes nebeneinander hergingen.
Robin war sich sicher, dass diese Frage nicht bloße Konversation war. Dariusz wollte auf etwas ganz Bestimmtes hinaus.
»Ja«, sagte sie. »Seit einigen Monaten bereits. Warum fragt Ihr?«
Obwohl sie nicht in seine Richtung sah, blieb ihr Dariusz’ Schulterzucken nicht verborgen. »Ich frage mich«, antwortete Dariusz, »warum Ihr nicht längst mit uns Kontakt aufgenommen habt, Bruder.«
»Manchmal frage ich mich das selbst«, gestand Robin und versuchte ihrerseits, ein verlegenes Achselzucken zu schauspielern. Ihre Gedanken überschlugen sich. Dariusz fragte ganz bestimmt nicht nur aus purer Neugier. Er wollte auf etwas Bestimmtes hinaus. »Sheik Sinan ist ein außergewöhnlich großzügiger Gastgeber«, sagte sie betont vorsichtig. »Und ich war in keinem besonders guten Zustand, als er mich aus der Sklaverei freigekauft hat.
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