Die Rückkehr der Templerin
den sie nie mehr im Leben zu sehen wünschte. Ihre Vergangenheit hatte sie eingeholt, und sie war mit der Wucht einer Naturkatastrophe über sie gekommen und hatte ihr Leben nicht bloß verändert, sondern zerschmettert.
Robin war in der Hölle. Ganz gleich, was die Zukunft noch bringen mochte, es konnte nicht mehr schlimmer werden.
Und dennoch geschah etwas Sonderbares mit ihr, während sie im Gleichtakt der gepanzerten Schritte ihrer Ordensbrüder einherschritt. Es war nicht das erste Mal, dass es geschah, aber vielleicht das erste Mal, dass es ihr auffiel. Die weißen Mäntel der Ritter wippten im Rhythmus ihrer Schritte. Sie sahen … erhaben aus, die Verteidiger der Christenheit, edel und gut, so wie sie selbst sich als kleines Mädchen immer einen Ritter vorgestellt hatte. Auch dieser Teil ihrer Vergangenheit war plötzlich so deutlich und mit solcher Intensität wieder da, dass sie plötzlich erschauderte. So absurd es ihr auch selbst vorkommen mochte - ein Teil von ihr war trotz allem von einem unbändigen Stolz erfüllt, ein Tempelritter zu sein.
Aber vielleicht war sie auch einfach nur müde.
Die Ritter bogen um die Ecke und in eine schmale Gasse. Vor ihnen lag eine winzige Kirche, aus deren offen stehender Tür ein dreieckiger Keil aus gelbem Kerzenlicht fiel, der verblasste, je weiter er sich von der Tür entfernte; wie um die Vergeblichkeit des Menschen zu symbolisieren, die Dunkelheit endgültig zu besiegen. Der blecherne Klang der Glocke, die sie gerade schon einmal gehört hatte, hob unter dem Dach der Kirche erneut an und rief nach ihnen. Als sie das enge Kreuzschiff betraten, hörte der Glockenhall auf, und die nachfolgende Stille erschien doppelt tief und auf eine sonderbare Weise beinahe bedrohlich.
Der Vormarsch der Ritter kam ins Stocken. Die Männer bewegten sich immer nur einen Schritt vor, blieben einen Moment stehen und gingen dann weiter, und schließlich war auch Robin an dem kleinen Marmorbecken nur ein Stück hinter der Eingangstür angelangt, das mit dem gesegneten Wasser des Jordans gefüllt war. Mit einem sonderbar frommen Schaudern, das sie selbst verwirrte, gegen das sie aber auch hilflos war, dachte sie daran, dass dieser heilige Fluss keine zwei Tagesritte entfernt lag. Noch zwei Tage, zweimal endlose Stunden voller unerträglicher Hitze, glühend heißem Sand, der in Augen, Nase und Mund drang und ihre Haut wund scheuerte, dann würde auch sie an den Ufern dieses heiligen Flusses stehen, und aus einem Grund, den sie sich selbst nicht erklären konnte, erfüllte sie dieser Gedanke mit einem Stolz und einer Zuversicht, die sie beinahe erschreckte. Sie hatte so oft an ihrem Glauben gezweifelt, dass sie fast erstaunt war, noch einen - überraschend großen - Rest davon in sich zu finden. Gerade nach dem, was hinter ihr lag, sollte sie jeden Grund haben, Gott zu hassen oder zumindest an seiner angeblichen Liebe zu allen Menschen zu zweifeln, denn es waren Männer gewesen, die in seinem Auftrag handelten, die ihr alles genommen hatten.
Und dennoch war es möglicherweise gerade dieser Glaube gewesen, der ihr überhaupt die Kraft gegeben hatte, die letzten Tage durchzustehen. Vielleicht, überlegte sie, war sie auf das Geheimnis jeglichen Glaubens gestoßen. Vielleicht spielte es gar keine Rolle, an welchen Gott oder welche übergeordnete Macht man glaubte, vielleicht war es einfach wichtig, dass man glaubte.
Fast erschrocken verscheuchte sie den Gedanken, Laut ausgesprochen hätte er gereicht, sie auf dem nächsten Scheiterhaufen enden zu lassen. Es war Ketzerei. Nicht mehr und nicht weniger. Auch wenn es vielleicht die Wahrheit war.
Die Reihe der schweigenden Gestalten rückte langsam weiter. Die Kirche war sehr schmal. Abgesehen von dem einfachen Jesusbildnis über dem Altar, mit Dämonenfratzen geschmückten Säulenkapitellen und dem silbernen Pokal, der auf dem Altar stand, gab es keinerlei Schmuck, und es brannten auch nur zwei einzelne Kerzen, deren Licht ihr nur so hell erschienen war, weil draußen nahezu vollkommene Dunkelheit herrschte.
Bruder Dariusz stand hoch aufgerichtet vor dem Altar. Der breitschultrige, hoch gewachsene und in jeder Beziehung imposant wirkende Ritter hatte den Waffengurt abgeschnallt und das Schwert schräg gegen den gelblich-weißen Altarstein ge-
lehnt. Sein Helm lag nur eine Handbreit neben dem Pokal, und er hatte ihn so umgedreht, dass die schmalen Sehschlitze die versammelten Ritter argwöhnisch anzublicken schienen. Robin verspürte bei
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