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Die Rückkehr der Templerin

Die Rückkehr der Templerin

Titel: Die Rückkehr der Templerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Eigenschaft, die Tempelritter am meisten verachteten.
    Sie war dennoch die Letzte, die den weißen Waffenrock mit dem roten Kreuz überstreifte und das Schwert umgürtete. Die anderen Ritter waren bereits fertig gerüstet, manche starrten sie schweigend an, und auf dem einen oder anderen Gesicht glaubte sie deutliche Spuren von Missbilligung zu erkennen. Robin bückte sich nach dem weißen Mantel, der allein den Rittern im Orden vorbehalten war, und befestigte ihn mit einer schweren, silbernen Fibel an der Schulter. Fast hastig griff sie als Letztes nach dem Schild und klemmte sich den schweren Topfhelm unter den anderen Arm.
     
    Schweigend verließen die Ritter den Turm. Draußen war es noch dunkel, und trotzdem glaubte sie die Hitze des bevorstehenden Tages schon zu spüren. Hintereinander und schnell, dennoch aber mit den leicht schleppenden Bewegungen von Männern, die am Ende ihrer Kräfte angelangt waren, bewegte sich die schweigende Prozession eine schmale Stiege an der Stadtmauer hinab. Nur hier und da brannte bereits ein Licht hinter den schmalen Fenstern der Stadt, aber es war dennoch fast unheimlich still. Tyros lag noch in tiefem Schlaf. Nur einsam und blechern ertönte irgendwo in der Nähe der Klang einer kleinen Glocke, Vom Meer her wehte ein kühler Wind über die Stadt. Robin drehte fast ohne ihr Zutun das Gesicht in die entsprechende Richtung, um den milden Hauch zu genießen; vielleicht das letzte Mal an diesem Tag, dass sie etwas wie Kühle spüren würde. Sie stöhnte innerlich schon jetzt unter dem Gewicht der Rüstung und dachte voller Schrecken an den Tag, der ihnen bevorstand. Ein weiterer, endloser Tag in voller Rüstung durch die Gluthitze des Orients, ein weiterer Tag, der jedem von ihnen wieder etwas von ihrer Kraft und Ausdauer nehmen würde, ein weiterer Tag, dessen Hitze, Durst und Anstrengungen die kleine Armee, die auf ihrem Weg nach Osten beständig anwuchs, weiter zermürbte. Robin fragte sich, in welchem Zustand diese Männer sein mochten, wenn sie sich Safet und damit König Balduins Heerlager näherten. Gewiss nicht in einem Zustand, in dem sie eine Schlacht schlagen konnten, und ganz gewiss nicht in dem Zustand, sie zu gewinnen.
    Irgendwo in dem Durcheinander aus Dunkelheit und allmählich heller werdenden Schatten vor ihnen bewegte sich eine Gestalt. Irgendein Einwohner der Stadt, den es früh aus dem Haus getrieben hatte, vielleicht ein Bediensteter, ein Handwerker oder einer der zahllosen Händler, die immer wieder versuchten, ihnen ihre Ware anzupreisen, obgleich sie im Grunde genau wussten, wie fruchtlos diese Versuche bleiben mussten. Aber müde, wie sie immer noch war, erlag sie für einen winzigen Moment einer Vision. Einen einzelnen, schweren Herzschlag lang war sie sicher, die Gestalt zu erkennen, sah sie das schmale und doch kraftvolle Gesicht unter dem schwarzbraunen Tuch und begegnete dem Blick von Salims Augen.
    Das Trugbild erlosch, aber was zurückblieb, war ein bitterer Geschmack auf ihrer Zunge. Sie fühlte sich schuldig. Sie wusste nicht, wann sie aufgehört hatte, an Salim zu denken - am zweiten Tag ihres Rittes, vielleicht auch erst am dritten -, aber irgendwann hatte sie ihn einfach ver g essen.
    So wie alles andere. Sheik Sinans Burg, Saila, all die Wochen und Monate, die sie auf der Festung der Assassinen verbracht hatte; selbst Salims Küsse und Liebkosungen begannen allmählich zu verblassen, kamen ihr schon jetzt beinahe wie die Erinnerungen einer Fremden vor, die sich nur durch einen Zufall in ihren Kopf verirrt hatten. Der unbarmherzige Gewaltmarsch, zu dem Dariusz die Männer zwang, forderte nicht nur körperlich seinen Preis. Abgesehen von den wenigen kostbaren Augenblicken gleich nach dem Erwachen und den vielleicht noch kürzeren Momenten vor dem Einschlafen hatte sie irgendwie aufgehört zu denken. Die Vergangenheit spielte ebenso wenig eine Rolle wie die Zukunft.
    Alles, was zählte, alles, worauf sie sich noch konzentrieren konnte, war die Gegenwart, der nächste Augenblick, der nächste Schritt, zu dem sie ihr Pferd zwang, das ebenso sehr unter der Hitze und dem Gewicht seiner Schabracke und des gepanzerten Reiters litt wie sie, der nächste Atemzug, mit dem sie die glutheiße Luft in die Lungen sog. Hätte sie noch die Kraft dafür gehabt, sie hätte das Schicksal und vielleicht sogar Gott verflucht für das, was ihr angetan worden war. Als Dariusz so urplötzlich vor ihr aufgetaucht war, da hatte sie nicht nur jemanden wieder getroffen,

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