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Die Rückkehr der Zehnten

Titel: Die Rückkehr der Zehnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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sich auch wendete, Fratzen grinsten sie an, egal wie heftig sie sich wehrte. Kehliges Lachen hallte durch die Nacht.
    »Nein!«, schrie sie und versetzte einem der Sarazenen einen Tritt gegen die Kniescheibe. Er lachte, als hätte sie ihn kaum berührt, und griff in ihr Haar. Lis riss sich mit solcher Gewalt los, dass sie dachte, ihre verletzte Kopfhaut würde sich vom Kopf lösen. Etwas streifte ihren Knöchel. Es fühlte sich wie ein ekliger, nasser Lappen an. Sie schrie vor Wut auf und machte einen Ausfallschritt zur Seite, als ihr Fuß plötzlich gegen ein Beil stieß, das am Lagerfeuer lag. Instinktiv griff sie danach und holte aus. Der Sarazene mit der Brandwunde machte einen geübten Satz zurück und zog in letzter Sekunde seine Hand zurück, bevor Lis ihm zwei Finger abhacken konnte. Erschrocken über sich selbst hielt sie inne. Das Lachen war aus den Gesichtern der Männer verschwunden. Lis wusste, sie hatte eine Grenze überschritten. Bisher war es für die Krieger ein grobes Spiel gewesen, doch nun wurde es ernst. Sie biss sich auf die Lippe und umklammerte den rauen Beilgriff noch fester. Sie würde sich nicht ergeben. Niemals! Poskurs Feuer loderte vor ihren Augen auf, sie schrie die Krieger an und blieb stehen. Warum griffen sie sie nicht an? Jeder von ihnen hielt inzwischen wieder sein Beil oder eine Lanze in der Hand. War es unter ihrer Würde, ein einzelnes Mädchen niederzumetzeln? Spielten sie immer noch mit ihr? Ihr keuchender Atem hallte durch die Nacht. Erschrocken erkannte sie, dass die Grillen verstummt waren.
    Die Krieger sahen sie immer noch an. Dennoch war ihr, als gingen ihre Blicke an ihr vorbei, beinahe durch sie hindurch. Für einen aberwitzigen Moment hatte sie das Gefühl, gestorben zu sein, als stünde nur noch ihr wütender, verzweifelter Geist neben dem Feuer und versuchte sich zu verteidigen. Dann wurde ihr bewusst, dass sie sie immer noch sahen – aber sie starrten auf etwas, das ihnen Entsetzen einflößte: ihr Feuermal auf dem Hals. Jetzt erst bemerkte Lis den Luftzug an ihrer Kehle – als der Krieger ihr ins Haar gegriffen hatte, musste sich das Halstuch gelöst haben. Natürlich hatte sie es nach dem Fest wieder zusammengenäht und getragen. Vermutlich war das Tuch das nasse Ding gewesen, das im Fallen ihren Knöchel gestreift hatte.
    Ihr erster Impuls war, das Beil zu senken und sich mit der Hand das Haar über den Fleck zu streichen. Im selben Augenblick wurde ihr bewusst, wie unsinnig und lächerlich die Geste an diesem Ort war.
    Ohne ein Wort zu sagen stürzte der Sarazene mit der halben Augenbraue in die Dunkelheit davon. Die anderen traten wie auf eine geheime Verabredung hin einige Schritte zurück und setzten sich auf den Boden. Lis blieb als Einzige stehen, hielt das Beil immer noch in der Luft und war verwirrt und ratlos. Holte er Verstärkung? Aber wozu sollte er? Ihr Arm schmerzte so sehr, dass ihr nach einer Weile nichts anderes übrig blieb, als das Beil ein Stück zu senken. Keiner der Sarazenen rührte sich.
    Nach einer Ewigkeit raschelte es und aus dem Nichts tauchte der Krieger wieder auf, diesmal mit einem älteren Sarazenen an seiner Seite. Leuchtend rot war das Helmtuch auf seinem Kopf, seine Brauen waren schneeweiß und buschig. Aller Angst zum Trotz war Lis plötzlich erleichtert ihn zu sehen. Im Gegensatz zu den anderen strahlte er eine beeindruckende Ruhe und Güte aus. Die Schatten im Hintergrund verwandelten sich in die Silhouetten weiterer Krieger. Es mochten fünfzig oder mehr sein, alle standen sie mit offenen Mündern da und reckten die Hälse, um einen Blick auf ihr Feuermal zu erhaschen.
    Na ja, dachte Lis, wenn ich jemals gedacht habe, in meiner Klasse glotzen sie den Fleck unverschämt an, dann werde ich jetzt eines Besseren belehrt.
    Der Mann mit den buschigen Augenbrauen trat auf sie zu und lächelte. »Willkommen in unserem Lager, Reisende aus Antjana! Mein Name ist Baschir und ich grüße dich im Namen des einzigen Gottes«, sagte er in einer Sprache, die dem altertümlichen Slowenisch in Antjana ähnlich war.
    Lis’ Arm sank noch weiter herab, der Griff des Beils entglitt ihren klammen Fingern. Mit einem dumpfen Schlag landete die Waffe auf dem Boden. »Ich heiße Lisanja und ich muss zur Desetnica!«, brachte sie hervor. »Bitte, es geht um viele Leben und ich habe nicht mehr viel Zeit!«
    Der Mann hob ihre Decke vom Boden auf und reichte sie ihr. »Sie wartet schon lange auf dich«, sagte er und winkte ihr, ihm zu folgen.
     
    Die

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