Die Rückkehr des Bösen
wenigsten historischen Tatsachen zu erfahren. Einige Gelehrte bezeichneten sie als die größte Schönheit, die je gelebt hatte, und behaupteten, daß allein ihr schierer Anblick schon ausreichte, um in ihren Bann zu geraten. Andere bezeichneten sie als die eigentlich treibende Kraft hinter der Unterdrückung. Einige wenige gaben zu, daß ihre Dokumentationen nicht viel mehr waren als romantische Phantastereien. Andere wiederum gaben nichts zu, während sie nachweisbar die spärlichen Fakten ausschmückten. Als Bomanz sich bereits zu seiner Lehrzeit damit befaßte, war all dies ihm ein Quell steter Verwunderung. Wieder in seinem Speicher angekommen, rollte er seine Seidenkarte aus. Sein Arbeitstag war keine völlige Vergeudung gewesen. Er hatte einen Menhir gefunden, der ihm zuvor unbekannt gewesen war, und die Zaubersprüche identifiziert, die ihn an Ort und Stelle hielten. Und er hatte die TelleKurre-Stätte gefunden. Das war schon die halbe Miete. Böse starrte er die Karte an, als ob der schiere Wille die benötigte Information hervorbringen würde.
Zwei Diagramme waren darauf. Das obere bestand aus einem fünfstrahligen Stern in einem etwas größeren Kreis. So hatte das Gräberland ausgesehen, als es neu errichtet worden war. Der von Kalksteinmauern umgebene Stern hatte sich knapp zwei Meter hoch über das umliegende Terrain erhoben. Der Kreis stellte den Außenrand eines Wassergrabens dar, aus dessen Aushub die Hügelgräber, der Stern und ein Fünfeck innerhalb des Sterns aufgeschüttet worden waren. Heutzutage war der Wassergraben kaum mehr als eine sumpfige Vertiefung. Besands Vorgänger hatten es nicht geschafft, mit der Natur Schritt zu halten. Innerhalb des Sterns, ausgehend von den Stellen, wo sich die Strahlen trafen, ragte ein
Fünfeck weitere zwei Meter in die Höhe. Es hatte ebenfalls seine Gestalt behalten, aber die
Mauern waren eingestürzt und überwachsen. In der Mitte des Fünfecks lag, nordsüdlich ausgerichtet, das Große Hügelgrab, in dem der Dominator schlief. An den Spitzen seiner Sternenzeichnung hatte Bomanz im Uhrzeigersinn die ungeraden Zahlen von Eins bis Neun eingetragen. Neben jeder Zahl stand ein Name: Seelenfänger, Formwandler, Nachtkriecher, Sturmbringer, Knochenknirscher. Die Bewohner der fünf äußeren Gräber waren damit festgelegt. Die fünf inneren Stellen waren mit den geraden Zahlen versehen und setzten rechts von dem Strahl des Sterns an, der nach Norden zeigte. In der Vier lag der Heuler, in der Acht der Hinker. Die Gräber von dreien der Zehn Unterworfenen waren bisher noch namenlos geblieben. »Wer ist in der verdammten Sechs?« knurrte Bomanz. Er drosch mit der Faust auf den Tisch. »Verflucht noch mal!« Vier Jahre, und er war der Lösung immer noch nicht näher gekommen. Das Aufdecken dieser einen Identität stellte das letzte bedeutsame Hindernis dar. Alles andere war nur noch reine Technik, eine Sache des Aufhebens der Bannsprüche und schließlich des Kontaktes mit dem Großen in der Mitte. Die Zauberer der Weißen Rose hatten ganze Bände hinterlassen, in denen sie mit ihrem gewaltigen Zauber prahlten, hatten jedoch nicht ein Wort darüber verloren, wo ihre Opfer lagen. So war es eben mit den Menschen. Besand spielte sich wegen der Fische auf, die er fing, und erläuterte im Detail den jeweils verwendeten Köder; die Anglertrophäe selbst blieb er meist schuldig.
Unter seine Sternenzeichnung hatte Bomanz eine des zentralen Hügelgrabs gesetzt. Es war ein nordsüdlich ausgerichtetes Rechteck, das mit zahlreichen Symbolen ausgefüllt war. An jeder Ecke war ein Menhir dargestellt, der auf dem Gräberland selbst als Säule von zwei Metern Höhe aufragte, auf der ein doppelgesichtiger Eulenkopf aufgepflanzt war. Das eine Antlitz starrte nach innen, das andere nach außen. Die Menhire bildeten die Eckpfosten der ersten Bannreihe jener Zauber, die das Große Hügelgrab bewachten. An den Seiten standen die Reihenpfosten, kleine Kreise, die hölzerne Stangenfetische darstellten. Die meisten waren verrottet und umgestürzt, und ihre Bannzauber waren mit ihnen gefallen. Die Ewige Garde hatte keinen Zauberer in ihren Reihen, der sie wiederherstellen oder ersetzen konnte.
Innerhalb des eigentlichen Hügels waren Symbole in drei Rechtecken von abnehmender Größe untergebracht. Die äußeren erinnerten an Bauern, die nächsten an Reiterkämpfer und die innersten an Elefanten. Die Gruft des Dominators war von Männern umgeben, die ihr Leben gelassen hatten, um ihn in die
Weitere Kostenlose Bücher