Die Rückkehr des Bösen
Das übliche Nachglühen eines großen Steppenbrandes. Und somit ist nur wenig übrig, um einen Forscher in die Sprachen, die Gedanken und die Geschichtsschreibung der Verlierer einzuführen. Unter den Dokumenten in meinem Besitz, die noch am einfachsten geschrieben sind, gibt es immer noch einige, die mir völlig unzugänglich sind.
Ich wünsche mir so sehr, daß Raven hier wäre, anstatt sich unter den Toten zu tummeln. Er war einigermaßen mit dem geschriebenen TelleKurre vertraut. Und das sind nur noch wenige außerhalb des Inneren Zirkels der Lady. Goblin lugte um die Ecke. »Kommst du jetzt oder nicht?« Ich heulte mich an seiner Schulter aus. Immer die alte Leier. Ich kam einfach nicht weiter. Und er lachte. »Flenn dich doch bei deiner Freundin aus. Vielleicht hilft sie dir ja.« »Wann hört ihr endlich damit auf?« Fünfzehn Jahre war es her, seit ich meine letzte naive Romanze über die Lady geschrieben hatte. Das war vor dem langen Rückzug gewesen, der die Rebellen zu ihrem Untergang bei Charm geführt hatte. Die Jungens geben einfach keine Ruhe.
»Nie, Croaker. Niemals. Wer hat denn sonst die Nacht mit ihr verbracht? Wer fliegt sonst mit ihr auf Teppichen?«
Diese Zeit würde ich lieber vergessen. Es war eine Zeit des Schreckens, keine Zeit der
Romantik.
Sie bemerkte meine chronistischen Bemühungen und bat mich darum, ihre Seite der Geschichte aufzuzeigen. Jedenfalls so ungefähr. Sie übte keine Zensur aus und schrieb mir auch nichts vor, aber sie bestand darauf, daß ich mich unparteiisch an die Tatsachen hielt. Ich glaube, damals dachte ich, daß sie mit einer Niederlage rechnete und irgendwo eine unvoreingenommene Historie niedergeschrieben wissen wollte. Goblin warf einen kurzen Blick auf den Stapel Dokumente. »Kommst du damit nicht klar?« »Ich glaube, damit kann man gar nicht klarkommen. Alles, was ich tatsächlich übersetze, erweist sich als ein großes Nichts. Eine Kostenabrechung. Ein Terminkalender. Eine Beförderungsaufstellung. Ein Brief von einem Offizier an einen Freund bei Hofe. Alles noch viel älter als das, wonach ich suche.«
Goblin hob eine Augenbraue.
»Ich versuch es jedenfalls weiter.« Irgendetwas war da drin. Wir hatten die Papiere Wisper abgenommen, als sie noch zu den Rebellen gehörte. Sie waren ihr sehr wichtig gewesen. Und unser damaliger Schutzherr Seelenfänger hielt sie für wichtig genug, um das ganze Reich zu erschüttern.
Nachdenklich sinnierte Goblin: »Manchmal ist das Ganze größer als die Summe seiner Teile. Vielleicht solltest du nach etwas suchen, was all das miteinander verbindet.« Der Gedanke war mir auch schon gekommen. Ein Name hier oder dort oder anderswo, der im Zusammenhang mit der frühen Laufbahn einer anderen Person stand. Vielleicht würde ich etwas in dieser Art finden. Der Komet würde sich noch lange nicht zeigen. Aber ich hegte so meine Zweifel.
Darling ist noch ein junges Ding, gerade Mitte Zwanzig. Aber die jugendliche Blüte ist an ihr vorbeigezogen. Ein schweres Jahr hat sich an das andere gereiht. An ihr ist wenig Feminines. Sie hatte sich nie in diese Richtung entwickeln können. Selbst nach zwei Jahren auf der Steppe denkt keiner von uns an sie als Frau. Sie ist groß, vielleicht einsfünfundsiebzig. Ihre Augen sind von einem verwaschenen Blau, das manchmal leer erscheint, aber wenn man ihr in die Quere kommt, werden diese Augen zu Eisschwertern. Ihr Haar ist blond, als wäre sie zu oft in der Sonne gewesen. Wenn sie nicht dauernd darauf achtet, hängt es strähnig herunter. Sie ist nicht eitel und trägt es daher kürzer, als es Mode sein mag. Auch was ihre Kleidung angeht, neigt sie eher zum Praktischen. Manche die uns zum ersten Mal besuchen, stellen die Stacheln auf, weil sie sich so maskulin kleidet. Aber sie läßt sie nicht im Zweifel darüber, daß sie weiß, worum es geht. Ihre Rolle ist ihr zugefallen, ohne daß sie sie gewollt hätte, aber sie hat ihren Frieden damit gemacht und sie mit sturer Entschlossenheit angenommen. Für ihr Alter und für jemanden mit ihrer Behinderung zeigt sie bemerkenswerte Weisheit. In den Jahren, in denen er ihr Wächter war, hat Raven sie gut unterwiesen.
Als ich eintraf, lief sie auf und ab. Der Konferenzraum liegt zu ebener Erde; er ist verraucht und auch dann beengt, wenn niemand sich darin aufhält. Er riecht nach zu langer Benutzung durch zu viele ungewaschene Männer. Der alte Bote aus Oar war dort, ebenso Tracker und
Corder und noch einige andere Außenseiter. Die meisten aus der
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