Die Rückkehr des Bösen
eigenen, Unschuldige, die er in einem Augenblick der Furcht vor der Verpflichtung im Stich gelassen hatte.
»Ich weiß«, erwiderte Sweet. »Ich weiß Bescheid. Bei Rust haben sie ihre Kinder lieber getötet, als sie von uns gefangen nehmen zu lassen. Die härtesten Männer des Regimentes haben geweint, als sie gesehen haben, wie die Mütter ihre Kleinen von den Mauern geworfen haben und ihnen dann hinterhergesprungen sind. Ich habe nie geheiratet. Ich habe keine Kinder. Aber ich weiß, wovon du redest. Hattest du welche?« »Einen Sohn«, sagte Corbie mit einer Stimme, die leise und mühsam aus einem Körper drang, der vor Leid fast bebte. »Und eine Tochter. Zwillinge. Vor langer Zeit und weit weg von hier.«
»Und was ist aus ihnen geworden?«
»Ich weiß es nicht. Ich hoffe, daß sie noch leben. Sie wären jetzt etwa so alt wie Case.« Sweet hob eine Augenbraue, erwiderte jedoch nichts auf die Bemerkung. »Und ihre Mutter?«
Corbies Augen wurden zu Eisen. Zum heißen Eisen eines Brandstabs. »Tot.« »Das tut mir leid.«
Corbie antwortete darauf nicht. Seine Miene verriet, daß es ihm selbst nicht leid tat. »Begreifst du, was ich sage, Corbie?« fragte Sweet. »Einer der Unterworfenen hat von dir Notiz genommen. Das ist nie sehr bekömmlich.« » Hab schon verstanden. Welcher war es denn?«
»Das kann ich nicht sagen. Welche Unterworfenen sich wann und wo aufhalten, wäre eine
Information, die für die Rebellen von Interesse sein könnte.« Corbie schnaubte verächtlich. »Welche Rebellen? Wir haben sie bei Charm ausgelöscht.« »Vielleicht. Aber da ist diese Weiße Rose.« »Ich dachte, daß sie sie bald erwischen würden?« »Ja, sicher. Solche Geschichten hört man dauernd. Daß sie sie vor Ende des Monats in Ketten legen würden. Das hat man schon gesagt als wir zum ersten Mal von ihr hörten. Sie ist gut im Hakenschlagen. Vielleicht ist sie gut genug.« Sweets Lächeln verblaßte. »Wenigstens werde ich nicht mehr hier sein, wenn der Komet das nächste Mal zurückkehrt. Einen Branntwein?«
»Ja.«
»Schach? Oder hast du gerade etwas zu tun?« »Noch nicht gleich. Eine Runde spiele ich mit Euch.« Mitten im Spiel sagte Sweet: »Denk daran, was ich dir gesagt habe. Ja? Der Unterworfene hat behauptet, daß er abreisen würde. Aber dafür gibt es keine Garantie. Vielleicht hockt er irgendwo im Gebüsch und späht uns aus.« »Ich werde besser darauf achten, was ich tue.« Das würde er. Daß ein Unterworfener an ihm Interesse hegte, war das Letzte, was er wollte. Er war zu weit vorgedrungen, um sich jetzt sinnlos zu opfern.
ZWÖLFTES KAPITEL
Die Schreckenssteppe
Ich hatte Wache. Mein Magen schmerzte und lag mir wie Blei im Bauch. Den ganzen Tag waren Punkte weit oben am Himmel umhergehuscht. Jetzt waren wieder zwei dort und flogen Streife. Die ständige Anwesenheit der Unterworfenen verhieß nichts Gutes. In der Nähe zogen zwei Rochenpaare durch die Nachmittagsluft. Sie kreisten in den Aufwinden hinauf, zogen in langen Bögen wieder herunter, verhöhnten die Unterworfenen und versuchten sie über die Feldgrenze zu locken. Sie konnten Außenseiter nicht leiden. Diese hier sogar noch weniger als alle anderen, denn diese hätten sie zermalmt, wäre nicht Darling gewesen - und sie war ebenfalls eine Außenseiterin. Auf der anderen Seite des Baches zogen einige Wanderbäume entlang. Die toten Menhire glänzten; normalerweise wirkten sie eher stumpf. Auf der Steppe braute sich etwas zusammen. Etwas, dessen Bedeutung kein Außenseiter ganz zu erfassen vermochte. Ein großer Schatten zog über die Wüste. Weit oben schwebte ein Windwal und forderte die Unterworfenen heraus. Ab und zu war ein kaum vernehmbares tiefes Brüllen zu hören. Ich hatte noch nie einen von ihnen reden hören. Das tun sie nur, wenn sie zornig sind. In den Korallen säuselte und wisperte eine Brise. Altvater Baum sang einen Chor für den Windwal.
Hinter mir sprach ein Menhir. »Bald kommen eure Feinde.« Ich erschauerte. Seine Worte erinnerten mich an einen Albtraum, der mich in letzter Zeit heimgesucht hat. Hinterher fallen mir die Einzelheiten nicht mehr ein, aber ich weiß, daß er voller Schrecken gewesen ist. Ich lehnte es ab, mich von dem verschlagenen Stein durcheinanderbringen zu lassen. Jedenfalls nicht allzusehr.
Was sind sie? Woher sind sie gekommen? Warum unterscheiden sie sich von anderen Steinen? Und was das angeht, warum ist die Steppe als solche so lachhaft anders? Warum so kriegerisch? Wir werden hier nur geduldet und
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