Die Rückkehr des Bösen
»Stimmt.« Ich öffnete die Läden unseres einzigen Fensters. Die Scharniere knarrten. »Da muß Öl drauf«, meinte ich. Wir befanden uns im zweiten Obergeschoß des höchsten Gebäudes außerhalb der Gardekaserne. Ich konnte Bomanz’ Haus sehen. »Jungs. Seht euch das an.«
Sie sahen es sich an.
»Ist in verflixt gutem Zustand, nicht wahr?« Als wir es das letzte Mal gesehen hatten, war es eine Bruchbude gewesen. Abergläubische Furcht hatte verhindert, daß es weiter genutzt wurde. Mir fiel wieder ein, daß ich mich ein paarmal darin umgesehen hatte. »Hast du Lust auf einen Spaziergang, Tracker?«
»Nein.«
»Ganz wie du meinst« - ich fragte mich, ob er hier Feinde hatte -, »aber ich würde mich wohler fühlen, wenn du mitkämst.«
Er schnallte sich sein Schwert um. Wir gingen hinunter, aus dem Haus und auf die Straße - wenn man den Schlammstreifen so nennen konnte. Der Knüppeldamm erstreckte sich nur bis zur Kaserne, und eine Abzweigung führte zum Blauen Schniedel. Ansonsten gab es nur Laufstege.
Wir taten so, als ob wir die Gegend besichtigen würden. Ich erzählte Tracker Geschichten von meinem letzten Aufenthalt, und die meisten davon kamen der Wahrheit sogar recht nahe. Ich versuchte eine andere Persönlichkeit anzunehmen, leutselig und fröhlich. Ich fragte mich, ob ich damit nicht meine Zeit verschwendete. Ich sah niemanden, den interessiert hätte, was ich zu sagen hatte.
Bomanz’ Haus war liebevoll wiederhergerichtet worden. Es sah allerdings nicht bewohnt aus. Auch nicht bewacht. Oder wie ein Denkmal. Sonderbar. Beim Essen befragte ich unseren Wirt. Er hatte mich sowieso schon als nostalgischen Trottel eingestuft und sagte: »Vor etwa fünf Jahren ist so ein alter Knabe dort eingezogen, ‘n Krüppel. Hat Gelegenheitsarbeiten für die Garde gemacht. Das Haus hat er in seiner Freizeit auf Vordermann gebracht.« »Was ist aus ihm geworden?«
»Vor einiger Zeit, ich schätze mal so vor vier Monaten, hat er einen Schlaganfall oder so was gehabt. Als man ihn gefunden hat, hat er noch gelebt, war aber völlig hilflos. Sie haben ihn in die Kaserne gebracht. Soweit ich weiß, ist er immer noch dort. Die füttern ihn wie ein Kleinkind. Der Junge, der euch hier überprüft hat, an den müßt ihr euch wenden. Er und
Corbie waren Freunde.«
»Corbie, ja? Danke. Und noch einen für mich.« »Komm schon, Croaker«, sagte Einauge leise. »Laß das Bier stehen. Der Kerl braut es selbst. Es schmeckt furchtbar.«
Da hatte er recht. Aber ich richtete mich gerade auf schwere Gedankenarbeit ein. Wir mußten in das Haus gelangen. Das bedeutete Nachtarbeit und Zaubertricks. Es bedeutete außerdem unser größtes Risiko, seit Goblin und Einauge in Rosen ihre Kapriolen gedreht hatten.
Einauge fragte Goblin: »Glaubst du, daß wir es mit einem Spuk zu tun haben?« Goblin kaute auf seiner Lippe. »Das muß ich mir erst ansehen.« »Worum geht’s?« fragte ich.
»Ich müßte mir den Mann ansehen, um es genau zu wissen, Croaker, aber was diesem Corbie passiert ist, hört sich nicht wie ein Schlaganfall an.« Goblin nickte. »Klingt, als ob jemand seinen Körper verlassen hat und nicht wieder reingekommen ist.«
»Vielleicht können wir es einrichten, daß wir ihn zu Gesicht bekommen. Was ist mit dem Haus?«
»Zuerst müssen wir sichergehen, daß es kein größerer Spuk ist. Wie zum Beispiel Bomanz’ Geist.«
Solche Gespräche machen mich nervös. Ich glaube nicht an Geister. Jedenfalls will ich nicht daran glauben.
»Wenn er draußen gefangen oder hinausgezogen wurde, muß man sich die Frage stellen, wie und warum das passiert ist. Man muß dabei in Betracht ziehen, daß das Bomanz’ Wohnort gewesen ist. Vielleicht hat etwas, das noch aus seiner Zeit stammt, sich diesen Corbie geschnappt. Das könnte auch uns erwischen, wenn wir nicht aufpassen.« »Komplikationen«, grummelte ich. »Immer wieder Komplikationen…« Goblin feixte.
»Halt dich bloß zurück«, sagte ich. »Oder ich verscheure dich an den Meistbietenden.« Eine Stunde später fiel ein heftiger Sturm über uns her. Er heulte und drosch auf das Gasthaus ein. Unter dem Wolkenbruch wurde das Dach leck. Als ich das meldete, ging unser Wirt in die Luft; sein Wutanfall richtete sich jedoch nicht gegen uns. Offenbar waren Reparaturen unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht gerade einfach, mußten jedoch gemacht werden, damit ein Haus nicht völlig verkam. »Das Schlimmste ist das verdammte Feuerholz für den Winter«, beschwerte er sich. »Man kann es nicht
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