Die Rückkehr Des Bösen
vors Schienbein trat, und ausgerechnet dann, wenn man sich einbildete, man habe alles im Griff. Wenn man meinte, man könne auf seine Menschenkenntnis vertrauen.
„He, hallo! Bodenstation an O’Dell! Hören Sie mich noch? Sollen wir mal anhalten und eine Pause machen, damit Sie sich die Füße vertreten können?“
Maggie merkte, dass sie in ihren Gedanken abgedrifftet war. „Nein, lassen Sie nur“, winkte sie ab und wand sich in ihrem Sitz um, um nach Harvey zu sehen. Der Hund lag der Länge nach ausgestreckt und schlief.
„Sicher? Alles okay?“
„Nur etwas müde, schätze ich.“
„Kurze Nacht gehabt?“
Erst als Racine sie forschend über den Rand ihrer Brille musterte, erinnerte Maggie sich an Harveys Geschlabber am Telefon, als Racine so spät noch angerufen hatte. Sie brach in schallendes Gelächter aus.
„Oh, bitte, geht mich nichts an“, brummte Racine und hob abwiegelnd die Hand, als wolle sie andeuten, schließlich habe sie es doch gar nicht so gemeint. „Geht mich wirklich nichts an.“
Maggie lachte inzwischen aus vollem Halse. Sie konnte einfach nicht anders. „Das war Harvey“, prustete sie dann.
„Was?“
„Das war Harvey, den Sie da am Telefon gehört haben.“
Racine brauchte einen Moment, bis der Groschen fiel. Maggie war, als bemerke sie ein leichtes Erröten. Wegen der Sonnenbrille war das aber schwer zu sagen. Erneut fing sie an zu lachen. Und schließlich lachte auch Julia Racine.
25. KAPITEL
Omaha, Nebraska
Tommy Pakula war sich bewusst, dass er diesmal monatelang würde Abbitte leisten müssen. Er und Cläre hatten sich schon vor langer Zeit darauf geeinigt, dass der Sonntagmorgen der Familie gehören sollte. Um ihr zu zeigen, wie ernst es ihm mit der Vereinbarung war, hatte er sich bei „Saint Stanislaus“ sogar als Kirchendiener zur Verfügung gestellt. Seitdem waren sie erst gemeinsam in die Frühmesse und anschließend zum Brunch gegangen. Ein Ritual, auf das er sich bereits die ganze Woche über freute.
Nur drei Mal hatte er in den Jahren seit Abschluss dieser Vereinbarung an einem Sonntagmorgen weggemusst. Das hatte Cläre ihm an sich immer recht schnell verziehen, aber diesmal schien sie sich damit schwerer zu tun. Er hatte versucht, ihr zu erklären, wie wichtig dieser Termin war, und als das keine Wirkung zeigte, hatte er gewitzelt, statt in die Messe ginge er doch nur zu einer Privataudienz beim Monsignore.
Als er jetzt die graue Leiche von Monsignore William O’Sullivan betrachtete, die vor ihm auf dem stählernen Seziertisch lag, da ging ihm auf, dass in dem Witz auch ein bitteres Körnchen Wahrheit gelegen hatte. Denn hier handelte es sich tatsächlich um eine Art Zwiegespräch mit dem Toten, von dem sich Pakula Aufschluss darüber erhoffte, was sich vorgestern in der Flughafentoilette abgespielt hatte.
Martha Stofko, die Leitende Ärztin am Rechtsmedizinischen Institut von Douglas County, hatte die Leiche bereits äußerlich vermessen und Abstriche gemacht. Bevor sie den Y-Schnitt ausführte, nahm sie den Brustkorb des Priesters in Augenschein und führte, nachdem sie einige Fotos gemacht hatte, den behandschuhten Finger in den Stichkanal.
„Erklären Sie mir mal, warum das hier an einem Sonntagmorgen sein muss“ sagte sie, wobei sie den Blick hob und den Detective ansah.
„Das haben Sie Erzbischof Armstrong zu verdanken. Irgendwie hat er den Chief davon überzeugen können, dass Zweckdienlichkeit den Sonntag heiligt.“ Pakula war sich nicht sicher, ob die Forensikerin das kapierte. Sie stammte aus irgendeinem Kaff in Kalifornien und war erst kürzlich hierher übergesiedelt, hatte also nicht die geringste Vorstellung von der Macht und den Machenschaften des Erzbischofs.
„Dann ist Chief Ramsey also katholisch?“
Vielleicht blickte Stofko doch besser durch, als Pakula ihr zugetraut hatte.
„Angeblich will die Schwester des Monsignore den Verstorbenen so schnell wie möglich nach Connecticut überführen lassen.“ Pakula zuckte die Schultern. „Sie wissen doch, Martha. Ich führe nur Anweisungen aus.“
„Na, wenn das so ist, dann kommen Sie mal her und gucken Sie sich das hier an!“
Pakula sah, wie sie in der Wunde stocherte und die Hautlappen beiseite drückte. „Sehen sie den zickzackartigen Schnitt?“
„Sieht aus wie ein X.“
„Oder ein Kreuz. Eine solche Wunde entsteht gewöhnlich, wenn die Stichwaffe beim Herausziehen gedreht wird. Es war eine zweischneidige Klinge, dick in der Mitte, aber nur knapp zwei Zentimeter
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