Die Rueckkehr des Daemons
sie ziemlich dämlich anzustarren. »Meinst du etwa, ich rette dich, und dann sehe ich mir nicht mal an, was du geklemmt hast?«
Sid wollte ihr widerstandslos folgen, doch dann fiel ihm ihre letzte Begegnung wieder ein. Jetzt bot sich ihm die einmalige Gelegenheit herauszufinden, ob er bekloppt, krank oder nur irgendwie sonderbar war.
»Hat dir Joey Ramone letztens eigentlich ausgerichtet, dass ich dich gesucht habe?«, fragte er nervös. Er hielt den Atem an.
»Ja!«, sagte Rascal. »Aber ich habe ihm gesagt, dass ich so komische Typen wie dich nicht kenne! – War nicht so gemeint.« Sie klopfte ihm versöhnlich auf die Schulter.
Sids Magen machte einen Hopser. Es waren haargenau die Worte, die er durch den nächtlichen Verkehr hindurch deutlich verstanden zu haben geglaubt hatte. Dann stimmte sicher auch die Sache mit dem Tonband. Er bildete sich nichts ein. Er hatte keine Krankheit, war nicht schizophren! Nur mit seinen Ohren stimmte etwas nicht. Er sog die Luft ein. Rascal roch nach Veilchen. Deutlich konnte er ihren Duft aus Tausenden von Räucherstäbchen herausfiltern. Und mit seiner Nase war auch etwas nicht in Ordnung. Er kam sich langsam vor wie ein Hund.
Unter stilisierten grünen Tempeldächern hindurch traten sie ein. So unscheinbar und hässlich der Tempel von außen wirkte, so prachtvoll war er innen. Tausend goldene Buddhafiguren brachten die hohe Kuppel zum Leuchten. Manche von ihnen lagen in rot ausgeschlagenen Wandvertiefungen, andere hockten im Lotussitz, andere standen auf einem verzierten Altar und legten die Spitzen von Daumen und Zeigefinger zu einem fremden Gruß aneinander. Viele waren mit exotischen Blumen geschmückt, vor ihnen standen Schalen mit frischem Obst und Geldscheinen. Viele Menschen knieten auf dem Boden und verneigten sich vor der größten Figur. Während Sid sich noch wie ein Kleinkind im Spielzeugladen umsah, hatte Rascal bereits eine abgeschiedene Nische gefunden.
»Komm!«, zischte sie zum ihm herüber. »Hier sind wir ungestört!«
Sid sank neben ihr auf den Boden.
Langsam holte er das Paket aus seiner Jackentasche. Das braune Packpapier glänzte speckig, offensichtlich war es schon durch viele Hände gewandert – aber warum hatte es dann noch niemand geöffnet? Kopfschüttelnd betrachtete er noch einmal die Zeichen.
»Bevor wir das hier auspacken, muss ich dir noch etwas sagen«, begann er. Rascal sollte die ganze Wahrheit wissen. Danach konnte sie immer noch entscheiden, ob sie ihre Zeit mit ihm vergeuden wollte. »Ich habe das Paket nicht aus einer Laune heraus geklaut. Im Moment brauche ich weiß Gott keinen billigen Nervenkitzel. Genau diese Zeichen sind vor ein paar Nächten in meinen Nachttisch eingeritzt worden – mit meinen Fingernägeln. Was sie bedeuten, konnte mir nicht einmal der Experte des Brooklyn Museums sagen.« Er erzählte ihr in groben Zügen, was ihm seit gestern passiert war.
Rascal sah ihn mit ihren tiefblauen Augen an. »Cool!«, flüsterte sie.
Sid schüttelte den Kopf. »Gar nicht cool. Seit dem Unfall passieren so komische Sachen. Ich höre Stimmen!«
Rascal unterdrückte deutlich ein Grinsen. Sid war ihr nicht böse.
»Nicht so, wie du denkst. Mich besuchen keine Marsmenschen oder verstorbene Großväter oder so. Wenn ich mich konzentriere, kann ich hören, was andere Menschen sagen, auch wenn sie hundert Meter entfernt sind. Du hast mir eben den letzten Beweis geliefert. Siehst du den Mönch da vorne?« Er zeigte auf einen Mann in einer orangefarbenen Kutte.
Rascal nickte. »Na klar. Aber der sagt doch nichts.«
»Doch! Er flüstert Buddha etwas zu. Leider ist mein Chinesisch ziemlich schlecht, sonst könnte ich dir alles wiederholen. Und draußen auf der Straße streitet ein Ehepaar. Sie unterstellt ihm, dass er fremdgeht.«
»Sid, es ist alles ruhig! Du bildest dir das nur ein. Hast du schon einmal daran gedacht, dass deine Medikamente …«
»Sieh nach!«, forderte er sie auf.
Rascal zögerte einen Augenblick, dann stand sie auf. »Dir zuliebe!«
Eine Minute später kam sie mit verstörtem Gesichtsausdruck zurück. »Du hast Recht! Die Frau heißt Mandy …«
»… und ihr treuloser Ehemann John. Und du hast geflüstert Sid ist ein reicher Schnösel! «
Augenblicklich schoss Rascal das Blut ins Gesicht. Ihre Gesichtsfarbe unterschied sich nur noch um Nuancen von ihren Haaren. »Mir… fiel so schnell nichts anderes ein …«, stammelte sie. Dann sah sie ihn besorgt an.
Sid zog sie wieder an seine Seite. »Ich bin
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