Die Rueckkehr des Daemons
zwischen Scheibe und Rahmen ins Freie. Betört von seinen eigenen Fähigkeiten sah ihm Birger Jacobsen eine Weile zu.
Leider ließ sich nicht immer alles mit Formeln lösen, dachte er. Die Mischung von Crack und voll aufgedrehtem Discman ist schlecht für Niggerohren. Sein Mund verzog sich zu einem verächtlichen Grinsen. Er zog den Rest seiner unförmigen Kleider aus. Blutspritzer kamen in New York gar nicht gut an. Zero tolerance hatte Ex-Bürgermeister Ralph Giuliani in der Stadt durchgeboxt, null Toleranz gegenüber Verbrechern. Achselzuckend hatten sich die harten Kerle von den auffälligen Morden verabschiedet und sich vermehrt dem street crime zugewandt, Schutzgelderpressung, Drogengeschäfte, Diebstähle in großem Stil. Toten Tätern weinte niemand eine Träne nach.
Alles wanderte ins Feuer. Die Wärme tat ihm gut. Nur noch in Unterwäsche und Socken betrachtete Birger Jacobsen das Buch in seinen Händen. Als er es aufschlug, zischte er scharf. Dafür der ganze Aufwand? Für ein leeres Buch? Er holte aus, um es hinter den Klamotten her in den langsam schrumpelnden Papierkorb zu werfen. Dann zögerte er. Nagy war ein schlauer Mann gewesen. Der erste und bis heute letzte, der es geschafft hatte, Tanaffus zu täuschen und sich bis zum Wesir hochzudienen. Ein zweiter Blick auf seine Notizen würde sich vielleicht lohnen.
Nervös knipste Birger Jacobsen das Licht an. Mit wachen Augen prüfte er die Reißkante. Zur Probe trennte er ein weiteres Blatt aus dem Buch. Der Riss sah anders aus. Jünger. Frischer. Die anderen Seiten mussten vor langer Zeit entfernt worden sein. Es waren also nicht die beiden gewesen. Eine weitere Möglichkeit: Geheimtinte. Er presste das Buch an die heiße Glühbirne. Die meisten Flüssigkeiten, die für so etwas infrage kamen, konnten durch Wärme sichtbar gemacht werden.
Nichts. Als das Papier schon braune Flecken bekam, blieb ihm eine letzte Chance. Wütend packte er die Kladde mit beiden Händen und zerrte den Einband in verschiedene Richtungen. Endlich löste sich das Leder von der Pappe. Aus dem Futter des Innendeckels fiel ein eng beschriebener Zettel auf den braunen Teppich.
Birger Jacobsen kniete sich auf den Boden und las. Fieberhaft flogen seine Augen über die krakeligen Zeilen. Der Pfiff, der ihm durch die Zähne entwich, klang überrascht und selbstgerecht zugleich. Eilig holte er eine Flasche Rotwein aus der Minibar und löschte die Reste des Feuers.
Danach zog er die Vorhänge zur Seite und ließ sich in den Sessel vor dem Fenster fallen. Ein zweites Mal studierte er Nagys Nachricht aus dem vorletzten Jahrhundert. Anschließend hob er den Kopf. Triumphierend wie ein siegreicher Feldherr sah er auf die schlafende Stadt.
Die kleine Notiz veränderte alles!
47. Kapitel
NYC , Bronx, 10. Oktober 2007, 6 Uhr
Verzweifelt lehnte Sid an der Wand. Wenn Rascal nicht da gewesen wäre, hätte er sicherlich geheult. Für das Paket hatte er die erste Straftat seines Lebens begangen, war durch halb New York geflohen und von einem Unbekannten bedroht worden. Jetzt war es verschwunden. Zögernd sah er zum Bad hinüber. Unter einem Wasserhahn ohne Becken wusch sich Rascal die Haare. Der Herzanhänger baumelte aufgeregt unter ihrem Kinn. Als sie seinen Blick bemerkte, versetzte Rascal der Tür einen Tritt und sperrte ihn aus.
Sid wusste nicht einmal, was ihn mehr beunruhigen sollte. Dass ein möglicher Hinweis auf die Verwandlung in seinem Kopf oder seinem Körper gestohlen war oder dass jemand jeden seiner Schritte genau zu beobachten schien und ihn an jedem Flecken New Yorks aufspüren konnte.
»Warum haben wir das Buch nicht gestern Abend untersucht!«, schnaubte er wütend. »Ich hätte nicht auf dich hören sollen!«
»Hast du aber!« Rascal kam umgezogen aus dem Bad zurück, mit kurzem Lederrock und einem grauen T-Shirt der Pixies, eine Band, die den Grunge erfunden hatte, wie sie erklärte. Der Duft ihres Veilchenshampoos stimmte Sid wieder etwas freundlicher.
»Ich wollte damit auch nicht sagen, dass alles deine Schuld ist. Jetzt steh ich nur wieder mit leeren Händen da!«
Rascal frottierte mit einem Handtuch ihre Haare.
»Na ja, so ganz stimmt das ja nicht. Immerhin haben wir noch den Brief.«
»Was…?«, stammelte Sid. »Aber du hast ihn doch in das Notizbuch gesteckt, ich habe es selber gesehen!«
Rascal hockte sich neben ihn. »Richtig, aber nicht jeder schläft so schnell ein wie du. Wusstest du eigentlich, dass du im Schlaf mit den Zähnen knirschst? Na,
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