Die Rueckkehr des Daemons
neben meinem Bett muss ein Kuli liegen!«
Sid wusste nicht, was sie vorhatte. Gespannt beobachtete er, wie Rascal den Umschlag als Lineal benutzte und so die beiden Balken auf dem Dollar verlängerte.
»Das wäre Big Money !«, erklärte sie. Entschlossen zog sie den Umschlag zur Seite. Die Kulistriche gingen direkt durch einige Buchstaben hindurch. Sid versuchte sie zu einem Wort zu verbinden, aber was dabei herauskam, ergab keinerlei Sinn. Dann kam er auf die Idee, die Zeichen nicht von links nach rechts zu lesen, sondern so, wie sie von den Strichen berührt wurden, von oben nach unten.
»Mich trifft der Schlag«, murmelte er.
Die Buchstabenkombination lautete: liberty enligHtening the wOrlD .
48. Kapitel
NYC , 10. Oktober 2007, 6 Uhr 35
Unterhose, Unterhemd und Socken stapelten sich wie ein skurriles Kunstwerk auf der Glasplatte des Couchtischs. Birger Jacobsen lag nackt auf dem Fußboden seines Hotelzimmers und drückte seine Hantel in die Luft. Ein Zentner Stahl, zehn Mal. Ab dem vierzigsten Lebensjahr verfiel der menschliche Körper zusehends. Jeden Monat kam ein weiteres Fettpolster hinzu, Folge von schlechtem Essen und mangelnder Bewegung. Alle fleischlichen Sünden des bis dahin vergangenen Lebens zahlte der Körper unerbittlich zurück. Man musste dagegen ankämpfen. Eisern. Mensch gegen Metall. Zwanzig Mal. Wenn ich ein faules Stück Fleisch an mir finde, dachte er martialisch, nehme ich ein Messer und schneide es heraus. Mens sana in corpore sano . Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper. Was nutzt mir ein waches Gehirn, wenn meine Arme nur Streichhölzer sind? Dreißig Mal. Der Schweiß lief in Strömen an ihm herab.
Noch achtzehn Mal schaffte er es, seinen Körper zu überwinden, der ihn zum Aufhören zwingen wollte, und seine Arme durchzudrücken. Schließlich quollen die Adern wie knotige Schlangen an seinem Hals hervor. Erschöpft hievte er die Hantel in einer letzten Anstrengung auf den Teppich und ließ sich zurückfallen. Er war glücklich. Nach ein paar Momenten des Luftholens in wohltuender Bewegungslosigkeit begann seine Hand wie von alleine seinen verschwitzten Körper hinunterzuwandern. Zärtlich streichelte er die riesige Tätowierung auf seinem Bauch. Seth in seiner Urgestalt als Wildhund. Nicht in der verunstalteten, denunzierenden, verächtlich machenden Form irgendwo zwischen Schakal, Esel und Okapi, mit der die Pharaonen der ersten Dynastien versucht hatten, ihn zur Witzfigur abzustempeln. Seth in seiner ganzen Pracht. Seth aufrecht stehend mit seiner Waage in der Hand, mit der er die Herzen der Toten wog. Seth, der mächtigste Gott der Unterwelt. Osiris glaubte die Entscheidungen zu treffen, aber Seth hatte die Finger an der Waage, war in der Lage, die Schalen nach seinem Gutdünken nach oben oder unten zu drücken.
Birger Jacobsen hatte ihm sein Leben gewidmet. Sankt Hallvard war ein Held für Schuljungen und Waschweiber, Seth hatte wirkliche Macht. Mit der Fingerspitze fuhr er die Außenlinien des Bildes ab.
Bei einer Geschäftsreise hatte er in Kyoto einen Tätowierer aufgespürt, der noch nach der traditionellen japanischen Methode arbeitete. Mit Holzstäbchen wurde die Farbe tief in die Haut hineingehämmert, ein Grausen jeder einzelne Punkt. Die Schmerzen beim Stechen trieben ihm die letzten Reste seiner Weichlichkeit aus.
Er dachte darüber nach, was für ein armseliger Wurm er doch früher gewesen war. Je mehr ihn die Klassenkameraden hänselten, desto mehr flüchtete er sich in mathematische und naturwissenschaftliche Bücher, was ihn als Schulstreber noch unbeliebter macht. Und wofür all die Plackerei? Winkte etwa ein toller Job? Lange dauerte es, bis sein Arm bei der täglichen Schufterei in der Spelunke seiner Eltern wieder fest zusammengewachsen war. Dann bereitete er alles für seine Flucht vor. Zwei Jahre später verschwand er eines Nachts über die Grenze, nach Stockholm. Zwölf Monate versuchte er sich als Tagelöhner im Hafen durchzuschlagen. Die fremde, so seltsam klingende Sprache lernte er in dieser Zeit perfekt und er begann sich für ernsthafte Jobs vorzustellen. Am Ende sprang ein einsamer Buchhalterposten für ihn dabei heraus. Für das Nobelpreiskomitee immerhin, sein biologisches Fachwissen half ihm dabei endlich einmal. Still, zuvorkommend und einsam arbeitete er in dem tristen Büro vor sich hin. Den Großteil seines Geldes sparte er. Ein magerer Wurm in einem fetten Apfel.
Ein paar Tage nach seinem zwanzigsten Geburtstag war dann sein
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