Die Rueckkehr des Daemons
die Meute zu einer Vertiefung im Boden getrieben, zwanzig Königsellen lang und mit Scherben und glühenden Kohlen gefüllt. Stolpernd und aus vielen kleinen Wunden blutend setzte er seinen bloßen Fuß auf das Glas. Birger konnte es an seinen eigenen Sohlen spüren, sein Körper erinnerte sich mit einem Mal an die Stiche und Schnitte, an die Verzweiflung, an die deprimierende Wut, die er vor achtundzwanzig Jahren an derselben Stelle gespürt hatte. Und daran, wie er später mit erhobenem Haupt die Stätte des Initiationsritus verlassen hatte, neu geboren, das alte, unbedeutende Leben unter den Augen der Mysten weggestorben. Auch Mendoza bäumte sich noch einmal gegen seine Peiniger auf, aber ihre Spieße trieben ihn unbarmherzig weiter. Die Trommeln verstummten.
»Wer ist dein Herr?«, schnarrte die Stimme des Rüden.
Mendoza flennte. »Setepenseth!« Die Scherben hatten seine Füße geöffnet, das Blut zischte in den Kohlen.
»Wem wirst du dienen?« Jetzt übernahm die Menge vielstimmig die Abfrage des Glaubensbekenntnisses. Birger Jacobsen hoffte, dass er Mendoza genügend vorbereitet hatte. Zögernd stimmte er in die Rufe ein.
»Setepenseth!«
»Wirst du Ihm dienen, von der sechsten Morgenstunde an?«
Taumelnd bewegte sich Mendoza über die Glut, trotzdem kam ihm die Antwort jetzt klar und deutlich über die Lippen:
»Von der sechsten Morgenstunde an.
Er hat die Macht, mich zu zerschmettern.
Er hat die Macht, mich stark zu machen.
Setepenseth ist groß, ich bin nichts!«
Mendoza war am Ende der Wanne angekommen. Seine Füße zeigten bis zu den Knöcheln hinauf starke Versengungen. Die Verletzungen würden bald abgeheilt sein, seine Seele aber war für immer gewachsen.
»Komm zu mir und sterbe!«
Birger Jacobsen nahm seinem Neuling die Binde ab. Mendozas Augen zeigten ein euphorisches Glänzen. Er hatte den Schmerz besiegt, seinen schwachen Körper vergessen, das faule Fleisch bezwungen. Jetzt war er bereit für die nächsten Schritte. Mit erhobenem Haupt stolzierte er dem Rüden entgegen. Keiner der anderen wagte es jetzt mehr, seinen nackten Körper zu quälen, fast schon war er einer von ihnen.
»Zeige mir dein altes Gesicht, auf dass ich dir ein neues schenke!«
Tanaffus schwang einen Faustkeil.
Mit festem Blick streckte ihm Mendoza seine gebleckten Zähne entgegen, er hatte aufgehört zu zittern. Der wuchtige Schlag traf ihn ungebremst am Oberkiefer. Ein leises Stöhnen nur war zu hören, dann spuckte er seinen rechten Schneidezahn in die Schale, die Birger Jacobsen ihm hinhielt.
»Dies ist das Zeichen derer, die ihr Leben Seth und seinem ersten Diener Setepenseth verschrieben haben«, predigte Tanaffus keuchend. »Verhalte dich ihm in jeder Lage würdig, denn du wirst daran gemessen. Hier im Schrein wird er aufbewahrt, mit tausend anderen. In der Stunde deines Todes bekommst du ihn als Pfand zurück. Dereinst wird der allmächtige Seth auch dich in der Unterwelt zu einem Brettspiel auffordern. Kannst du ihn durch die Taten, die du in seinem Namen begangen hast, besiegen, wird er dir den Zahn wieder einsetzen. An seiner Seite wirst du leben.«
Der Rüde blickte in die Runde, die Mysten verstanden die Aufforderung. Ihr Ruf hallte durch die Grotte, bis in die entlegensten Wüsten Ägyptens:
»Großer Rüde, der du Seth siehst, verweigere ihm die Taufe nicht!«
55. Kapitel
Die Frage: Was heißt taufen? ist zunächst eine rein sprachliche. Das entsprechende Wort im Alten Testament heißt baptizein und bedeutet überall da, wo es im gewöhnlichen Sinne vorkommt, nichts anderes als »untertauchen« oder »eintauchen«. (…) Josephs Brüder tauchen den bunten Rock in das Blut eines Böckleins ein; Moses gebietet den israelitischen Hausvätern, ein Ysopbüschel ins Blut des Passahlammes zu tauchen; in seinem Segen weissagt er von Asser, derselbe werde seinen Fuß in Öl tunken, und Boas erlaubt der Ruth, ihren Bissen Brot in den Essig zu tunken, der zur Erfrischung seiner Schnitter aufgestellt ist (…).
Was nun aber so im Alten Testament ein ganz neutrales Vorkommnis ist, erscheint im Neuen Testament plötzlich zu einer religiösen Handlung gestempelt. Die Unter- oder Eintauchung in Wasser wird zum Zeichen der Sinnesänderung, zum Übergang in ein neues geistiges Gebiet (…). Aus diesem Grunde wurde auch ganz gewiss die Taufe ursprünglich am Jordan vollzogen. Der Jordan war für das alttestamentliche Gottesvolk der Durchgangspunkt aus dem alten Lebensgebiet der Wüste in das neue des
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