Die Rückkehr des Drachen
singen.
Ohne ihren gemessenen Schritt zu unterbrechen, antwortete Sheriam: »Eine, die als Kandidatin kommt, um Aufgenommen zu werden, Schwester.« Die drei Aes Sedai, die um den Ter'Angreal saßen, rührten sich nicht.
»Ist sie bereit?«
»Sie ist bereit, hinter sich zu lassen, was sie war, ihre eigenen Ängste zu durchwandern und so Aufgenommen zu werden.«
»Kennt sie ihre Ängste?«
»Sie ist noch nie mit ihnen konfrontiert worden, doch sie ist willens dazu.«
»Dann laßt sie dem gegenübertreten, was sie fürchtet.« Selbst bei diesen Formalitäten schwang in Elaidas Stimme eine gewisse Befriedigung mit.
»Das erste Mal«, sagte Sheriam, »ist für das, was war. Der Weg zurück erscheint nur einmal. Seid standhaft.«
Egwene atmete tief durch und trat vor, durch den Torbogen und in das Glühen hinein. Das Licht verschluckte sie.
»Jaim Dawry ist vorbeigekommen. Der Händler hat eigenartige Sachen aus Baerlon berichtet.«
Egwene hob den Kopf und blickte über die Wiege hinweg, die sie gerade schaukelte, zu Rand, der in der Tür stand. Einen Moment lang wirbelte alles in ihrem Kopf durcheinander. Sie blickte von Rand - mein Mann - zu dem Kind in der Wiege - meine Tochter - und staunend wieder zurück.
Der Weg zurück erscheint nur einmal. Seid standhaft. Das war nicht ihr eigener Gedanke, sondern eine körperlose Stimme, die sich in ihrem Kopf oder auch außerhalb befinden mochte, männlich oder weiblich und frei von Emotionen - unbekannt. Und doch war sie ihr nicht fremd.
Der Augenblick des Staunens ging vorüber, und dann war das einzige, worüber sie sich wunderte, daß sie das Gefühl gehabt hatte, etwas stimme nicht. Natürlich war Rand ihr Mann - ihr gutaussehender, liebevoller Mann -, und Joiya war ihre Tochter - das hübscheste, süßeste kleine Mädchen der Zwei Flüsse. Tam, Rands Vater, war mit den Schafen draußen, angeblich, damit Rand in der Scheune aufräumen konnte, aber in Wirklichkeit, um ihm mehr Zeit zu geben, mit Joiya zu spielen. Heute nachmittag würden Egwenes Vater und Mutter aus dem Dorf herüberkommen. Und vielleicht auch Nynaeve, um nachzuprüfen, ob Egwenes Rolle als Mutter sie vom Lernen abhielt. Schließlich sollte sie eines Tages Nynaeve als Seherin ablösen.
»Was für Neuigkeiten?« fragte sie. Sie fing wieder an, die Wiege zu schaukeln, und Rand kam herüber. Er grinste das winzige Kind an, das in Windeln darinnen lag. Egwene lachte in sich hinein. Er war die halbe Zeit über so mit seinem Kind beschäftigt, daß er nicht hörte, was man zu ihm sagte. »Rand? Was für Neuigkeiten? Rand?«
»Was?« Sein Grinsen verflog. »Seltsame Sachen. Krieg. Es gibt irgendeinen großen Krieg, der den größten Teil der Welt erfaßt hat, wie Jaim behauptet.« Das waren allerdings seltsame Neuigkeiten. Berichte über Kriege irgendwo erreichten gewöhnlich die Zwei Flüsse erst, wenn der betreffende Krieg längst vorbei war. »Er sagt, jeder kämpft gegen irgendein Volk namens Schakin oder Schanschan oder so ähnlich. Ich habe noch nie von ihnen gehört.«
Egwene kannte sie - glaubte, sie zu kennen - und dann war alles weg.
»Geht es dir gut?« fragte er. »Das ist nichts, was uns hier betrifft, mein Herz. Kriege kommen nie bis zu den Zwei Flüssen. Wir sind zu weit von allem entfernt, und niemand kümmert sich um uns.«
»Ich rege mich deshalb nicht auf. Hat Jaim sonst noch etwas berichtet?«
»Nichts Glaubhaftes. Es klang wie von einem Coplin. Er sagte, der Händler habe ihm berichtet, daß diese Leute in der Schlacht Aes Sedai einsetzen, und dann wieder behauptet er, sie hätten eine Belohnung von tausend Goldmark für jeden ausgesetzt, der ihnen eine Aes Sedai ausliefert. Und sie töten jeden, der eine davon versteckt und ihr hilft. Das ergibt doch keinen Sinn. Na ja, das soll uns nicht kümmern. Das ist alles weit weg von hier.«
Aes Sedai. Egwene faßte sich an den Kopf. Der Weg zurück erscheint nur einmal. Seid standhaft. Sie bemerkte, daß auch Rand mit einer Hand nach seinem Kopf faßte. »Wieder Kopfschmerzen?« fragte sie.
Er nickte und verzog sein Gesicht. »Dieses Pulver von Nynaeve hat in den letzten Tagen nichts mehr genützt.«
Sie zögerte. Seine Kopfschmerzen machten ihr große Sorgen. Sie wurden ständig schlimmer. Und das Schlimmste daran war etwas, das sie zunächst gar nicht bemerkt hatte und von dem sie sich nun wünschte, sie hätte es nicht bemerkt. Wenn Rands Kopf schmerzte, geschahen anschließend immer ungewöhnliche Dinge. Ein Blitz aus heiterem
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