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Die Rückkehr des friedvollen Kriegers

Die Rückkehr des friedvollen Kriegers

Titel: Die Rückkehr des friedvollen Kriegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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Urwald.
     
    JOHN MUIR
     
     
    Am nächsten Morgen hatte ich einen Bärenhunger. Ich war froh über die Schale mit Früchten, die auf meinem Nachttisch stand. In der Schublade fand ich ein Messer und einen Löffel und schlang hintereinander zwei Bananen, eine Passionsfrucht und eine Papaya hinunter. Dann fiel mir wieder ein, daß ich ja eigentlich langsam essen und gründlich kauen sollte. Aber ich konnte nichts dagegen machen  – die Früchte schienen einfach im Handumdrehen vor meinen Augen zu verschwinden.
    Nach diesem Frühstück fühlte ich mich gleich viel wohler und beschloß, meine Umgebung zu erkunden. Als ich die Beine über die Bettkante schwang, wurde mir ein paar Sekunden lang schwindelig. Ich wartete, bis das Schwindelgefühl vorüber war, und stand auf. Schwach und wackelig auf den Beinen stand ich da und blickte an mir herab: Ich hatte so sehr abgenommen, daß die Badehose mir beinahe vom Körper fiel. »Ich sollte ein Diätbuch schreiben«, murmelte ich vor mich hin. »Ich werde es ›Die Surfbrettdiät‹ nennen. Bestimmt bringt es mir eine Million Dollar ein!«
    Immer noch unsicher auf den Beinen, wankte ich auf einen Wasserkrug zu, der auf der Kommode stand, nahm langsam einen Schluck daraus und ging dann auf eine Art chemische Toilette, die durch einen Vorhang vom Zimmer abgeteilt war. Wenigstens funktionierten meine Nieren noch!

    Ich starrte mein Gesicht in einem alten Spiegel an. Mit seinen nässenden Wunden und Schorfen kam es mir wie das Gesicht eines Fremden vor. An meinem Rücken klebten immer noch Verbände. Wie konnte die kleine Sachi meinen Anblick ertragen, mich sogar berühren?
    Dann ging ich nach draußen. Ich blieb im Schatten der Hütte und der Bäume und ruhte mich zwischendurch immer wieder aus. Es tat gut, wieder festen Boden unter den Füßen zu fühlen; aber meine Füße waren immer noch empfindlich. Ohne Schuhe konnte ich nicht weit gehen. Ich fragte mich, ob mein Rucksack mit meinen Sachen am Strand von Oahu wohl inzwischen gefunden worden war. Wenn ja, glaubten die Leute vielleicht, ich sei ertrunken. Oder, dachte ich düster, vielleicht hatte ein Dieb meine Brieftasche, meine Flugtickets und meine Kreditkarte gefunden! Nein, dazu hatte ich den Rucksack zu gut versteckt. Er lag in einem dichten Gebüsch, mit trockenem Reisig zugedeckt. Wenn ich Mama Chia das nächste Mal sah, würde ich sie danach fragen. Doch ich sollte sie ein paar Tage lang nicht zu Gesicht bekommen.
    Ich schleppte mich ein paar Meter den Waldweg hinauf, bis ich einen guten Aussichtspunkt entdeckte. Hoch über mir in der Ferne ragten die kahlen Lavafelsen im Zentrum der Insel in den Himmel hinein, weit über dem dichten Regenwald. Tief unter mir konnte ich durch die dichtbelaubten Bäume Fetzen blauen Meers erkennen. Meine Hütte lag, so schätzte ich, ungefähr auf halber Höhe zwischen den Felsen und dem Meer.
    Müde und ein bißchen bedrückt, weil ich mich immer noch so matt fühlte, ging ich wieder den Waldweg hinunter zu meiner Hütte, legte mich hin und schlief sofort ein.
    Im Lauf der Tage kehrte mein Hunger mit aller Macht zurück. Ich aß tropische Früchte, süße Jamswurzeln, Kartoffeln, Mais, Taro und – obwohl ich mich normalerweise vegetarisch ernähre – sogar etwas frischen Fisch und eine Art Algensuppe, die ich jeden Morgen auf meiner Kommode fand und die mir vermutlich Sachiko brachte. Mama Chia bestand darauf, daß ich die Suppe aß, »um die Heilung der Sonnenbrandwunden und Strahlenschäden zu unterstützen«.

    Am frühen Morgen und am Spätnachmittag verließ ich die Hütte, um einen kleinen Spaziergang zu machen, und wagte mich allmählich immer weiter fort. Ich wanderte ein paar hundert Meter in das üppig grüne Tal hinab oder den Berg hinauf, durch Regenwälder mit glattrindigen Kukui-Bäumen, Banyans mit anmutig gebogenen Ästen, hohen Palmen und Eukalyptusbäumen, deren Blätter im Meereswind schimmerten. Zwischen den zarten amaumau -Farnen wuchs überall der rotgelb blühende Ingwer, und die rote Erde war von einem dicken Teppich aus Moos, Gras und Blättern bedeckt.
    Mit Ausnahme der flachen kleinen Lichtung, auf der meine Hütte stand, stieg der Berg steil an. Am Anfang wurde ich schnell müde, aber bald kam ich nicht mehr so rasch außer Atem. Ich kletterte den Berg hinauf und sog die feuchte, heilsame Luft des Regenwaldes in meine Lungen. Ein paar Kilometer unter mir fielen Klippen – die pali  – steil zum Meer ab. Wie hatten diese Leute es nur geschafft,

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