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Die Rückkehr des friedvollen Kriegers

Die Rückkehr des friedvollen Kriegers

Titel: Die Rückkehr des friedvollen Kriegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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erkennen.«
    Hinkend ging sie zur Tür und wandte sich noch einmal zu mir zurück: »Wenn ich von ›unsichtbaren Dingen‹ spreche, sind sie für
mich nicht unsichtbar. Aber was für mich wahr ist, braucht es für dich noch lange nicht zu sein. Ich will dir nicht vorschreiben, was du glauben sollst – ich teile dir nur meine Erfahrungen mit.«
    »Und wie kann ich diese drei Selbste erfahren? Und wann?« fragte ich.
    Sie goß ein Glas Wasser ein und reichte es mir. »Wenn du stark genug bist – wenn Socrates dich gut vorbereitet hat –, kann ich dich bis zum Rand des Abgrunds führen und dir zeigen, wohin der Weg führt. Dann brauchst du nur noch die Augen aufzumachen und zu springen. Und jetzt ruh dich aus«, sagte sie und wandte sich zum Gehen.
    »Warte doch!« rief ich und setzte mich auf. »Kannst du mir nicht noch ein bißchen mehr über diese drei Selbste verraten, ehe du gehst? Ich wüßte gern mehr …«
    »Und ich will dir auch gern mehr erzählen«, fiel sie mir ins Wort. »Aber jetzt mußt du erst einmal schlafen .«
    »Ich bin wirklich müde«, gähnte ich.
    »Ja. Morgen gehen wir auf eine Wanderung. Dann reden wir darüber.« Durch die offene Tür sah ich, wie sie, ihren Bambusstock schwingend, wieder in den Wald hineinhumpelte. Ich gähnte noch einmal herzhaft, dann fielen mir die Augen zu, und es wurde schwarz um mich her.

ZWEITES BUCH
Erleuchtungen
    Die wahre Entdeckungsreise besteht nicht darin,
daß man neue Landschaften sucht,
sondern daß man mit neuen Augen sieht.
     
    MARCEL PROUST

7
DIE DREI SELBSTE
    Du kannst nicht über etwas hinauswachsen, was du gar nicht kennst.
Um über dich selbst hinauszugelangen, mußt du dich erst einmal
kennenlernen.
     
    SRI NISARGADATTA MAHARAJ
     
     
    Am nächsten Morgen klang mir der Gesang der Vögel süßer in den Ohren, und die Welt schien viel schöner zu sein als sonst. Meine Kraft kehrte allmählich wieder; ich hatte nur noch ein paar Schorfe. Ich fuhr mit der Hand über meinen zwei Wochen alten Bart und beschloß, ihn vorläufig nicht abzurasieren.
    Nachdem ich mich an selbstgebackenem Brot und tropischen Früchten satt gegessen hatte, die auf geheimnisvolle Weise auf meiner Kommode erschienen waren – wieder ein Geschenk von Sachi, vermutete ich –, trat ich hinaus ins Freie, splitterfasernackt, und duschte mich in einem warmen Regenguß. Der Regen ging so rasch vorbei, wie er gekommen war, und wich einem leuchtend blauen, sonnigen Himmel.
    Ich hatte mir gerade das nasse Haar gekämmt und eine dicke Schicht Sonnencreme aufgetragen, da kam Mama Chia mit ihrem Rucksack und Bambusstock den Waldweg herunter. Sie trug ein weites Muumuu-Kleid – ihre übliche Wanderausrüstung, wie ich erfuhr.
    Nach einer kurzen Begrüßung führte sie mich einen schmalen, verschlungenen Weg zum Meer hinunter. Schwerfällig humpelte sie anderthalb Meter vor mir den rutschigen Weg entlang. Ich sah, daß das Gehen ihr nicht leichtfiel, und staunte über ihre Entschlossenheit.

    Ein paarmal blieb sie stehen – einmal, um mir einen bunten Vogel zu zeigen, dann, um mich auf einen kleinen Wasserfall und Teich aufmerksam zu machen, die einem unachtsamen Spaziergänger nicht aufgefallen wären. Nachdem wir uns eine Weile hingesetzt und dem Wasser zugehört hatten, das in den Teich hinabstürzte, erbot ich mich, ihren Rucksack zu tragen; aber sie wehrte ab: »Vielleicht beim nächsten Mal.«
    Danach redeten wir kaum noch miteinander. Wir mußten uns beide darauf konzentrieren, auf dem matschigen Weg, über den sich immer wieder Baumwurzeln zogen, nicht auszurutschen.
    Schließlich kletterten wir in eine steile Schlucht hinab und gelangten zu einer kleinen, sandigen Lichtung, einem der wenigen Strände zwischen den felsigen Klippen. Zu beiden Seiten stiegen Lavafelsen senkrecht in den Himmel empor.
    Mama Chia nahm eine dünne Decke aus ihrem Rucksack und breitete sie am Strand aus. Es war gerade Ebbe; glatt, fest und naß lag der Sand vor uns. Der Meereswind auf meinem Gesicht und meiner Brust fühlte sich angenehm kühl an.
    »Mama Chia«, fragte ich, »vielleicht bilde ich mir das nur ein – aber ich habe das Gefühl, ich bin erst seit etwa zehn Tagen hier. Stimmt das?«
    »Ja.«
    »Und wäre ich auf dem Meer nicht beinahe verdurstet und an meinem Sonnenbrand gestorben?«
    »Ja«, antwortete sie wieder.
    »Tja, heilen meine Wunden dafür nicht erstaunlich schnell?«
    Sie nickte. »Ich habe nachts mit dir daran gearbeitet.«
    »Was?«
    »Im Schlaf tritt dein

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