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Die Rückkehr des friedvollen Kriegers

Die Rückkehr des friedvollen Kriegers

Titel: Die Rückkehr des friedvollen Kriegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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mich zu der Hütte hinaufzutragen?
    An den nächsten Tagen hatte ich morgens beim Erwachen immer noch Traumfetzen im Gedächtnis – Bilder von Mama Chia und den Klang ihrer Stimme. Und jeden Morgen fühlte ich mich ungewöhnlich erfrischt. Erstaunt stellte ich fest, daß meine wunde Haut sich rasch abgeschält hatte. Darunter kam zarte neue Haut zum Vorschein. Inzwischen war fast alles verheilt – so gut wie neu. Meine Kraft kehrte wieder und mit ihr auch das alte, drängende Gefühl der Ruhelosigkeit. Ich hatte Mama Chia gefunden; ich war hier. Was jetzt? Was mußte ich lernen oder tun, ehe sie mich zur nächsten Station meiner Reise geleiten würde?
     
    Als ich am nächsten Tag aufwachte, stand die Sonne schon beinahe im Zenit. Ich lag da und lauschte den schrillen Rufen eines Vogels; dann begab ich mich wieder auf eine meiner kleinen Wanderungen. Allmählich gewöhnten sich meine nackten Füße an die Erde.
    Als ich zurückkam, sah ich Mama Chia gerade in meine Hütte gehen. Wahrscheinlich rechnete sie damit, mich im Bett zu finden.
Mit raschen Schritten lief ich den Abhang hinunter und wäre auf den Blättern, die vom letzten Regenguß noch naß und rutschig waren, beinahe ausgerutscht. Ich war stolz auf meine rasche Genesung und wollte ihr einen kleinen Streich spielen. Also versteckte ich mich hinter dem Schuppen und spähte verstohlen dahinter hervor. Ich beobachtete, wie sie wieder aus der Hütte kam und sich verdutzt umsah, duckte mich und preßte die Hand gegen den Mund, um ein Lachen zu unterdrücken. Dann holte ich tief Luft und schielte wieder um die Ecke. Sie war nicht mehr da.
    Ich fürchtete, daß sie vielleicht fortgegangen war, um mich zu suchen. Also kam ich aus meinem Versteck hervor und war schon im Begriff, nach ihr zu rufen – da tippte mir von hinten eine Hand auf die Schulter. Ich drehte mich um. Lächelnd stand sie vor mir. »Woher wußtest du denn, wo ich bin?« fragte ich.
    »Ich habe dich nach mir rufen hören.«
    »Aber ich habe dich gar nicht gerufen!« widersprach ich.
    »Doch.«
    »Nein! Ich wollte es gerade tun, aber …«
    »Und woher hätte ich dann wissen sollen, daß du hier bist?«
    »Das frage ich dich !«
    »Ich glaube, wir reden im Kreis herum«, sagte sie. »Setz dich; ich habe dir dein Mittagessen gebracht.«
    Bei dem Wort »Mittagessen« gehorchte ich sofort. Ich setzte mich auf den dicken feuchten Blätterteppich im Schatten eines Baumes. Mein Magen knurrte, als Mama Chia mir herrliche Jamswurzeln anbot – die besten, die ich je gegessen hatte –, köstlich zubereiteten Reis und verschiedene saftige Gemüse. Ich fragte mich, wie sie das alles in ihren Rucksack hineinbekommen hatte.
    Wir konzentrierten uns aufs Essen, und unser Gespräch erstarb. »Danke«, sagte ich schließlich zwischen zwei Bissen. »Du bist wirklich eine gute Köchin.«
    »Ich habe das nicht gekocht«, widersprach sie. »Sachi hat es zubereitet.«
    »Sachiko? Wer hat ihr beigebracht, so zu kochen?« fragte ich.
    »Ihr Vater.«

    »Sie ist wirklich begabt. Ihre Eltern sind sicher sehr stolz auf sie.«
    »O ja – mehr als stolz.« Mama Chia stellte ihren Teller auf den Boden und blickte über die Lichtung hinweg zu dem dichten, smaragdgrünen Wald. »Ich will dir eine Geschichte erzählen, die sich wirklich zugetragen hat:
    Vor neun Jahren half ich bei Sachis Geburt, und als sie vier Jahre alt war, hieß ich ihren kleinen Bruder auf der Welt willkommen.
    Bald nach der Geburt ihres Bruders bat die kleine Sachi ihre Eltern immer wieder, sie mit dem neugeborenen Baby einmal allein zu lassen. Die Eltern machten sich Sorgen, daß ihre Tochter vielleicht eifersüchtig war wie die meisten Vierjährigen und ihn schlagen oder unsanft schütteln würde; deshalb sagten sie nein. Aber Sachi zeigte überhaupt keine Spur von Eifersucht. Sie behandelte das Baby sehr liebevoll – und bettelte immer flehentlicher, mit ihm allein gelassen zu werden. Da beschlossen die Eltern, es ihr zu erlauben.
    Glücklich lief sie ins Zimmer des Babys und schloß die Tür hinter sich; aber die Tür ging wieder einen Spalt auf – so weit, daß die neugierigen Eltern hereinschauen und sie belauschen konnten. Sie sahen, wie ihre Tochter auf Zehenspitzen zu dem kleinen Bruder hinging, ihr Gesicht ganz nah an seines hielt und ihn leise fragte: ›Baby, sag mir, wie Gott ist. Ich vergesse es allmählich.‹«
    »Das hat sie tatsächlich gesagt?« fragte ich mit ehrfürchtiger Stimme.
    »Ja.«
    »Jetzt verstehe ich, warum sie

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