Die Rueckkehr des Nexius
bis zu Landru schaffen wollte.
Den Gedanken, daß dieser womöglich gar nicht mehr in dem Bergdorf weilen könnte, verdrängte sie dabei geflissentlich.
Endlich wurde ihr Flug aufgerufen. Die Zollkontrollen durchlief Nofretete mit Hilfe ihrer hypnotischen Fähigkeiten äußerst zügig. Niemand wunderte sich über die junge Frau, die ohne Gepäck unterwegs war. Man merkte nicht einmal, daß sie über keinerlei Papiere verfügte .
Mit einem Flugzeug zu reisen, war für Nofretete beim ersten Mal ein aufregendes Abenteuer gewesen. Jetzt bemühte sie sich in erster Linie darum, sich durch die zunehmende Unkontrollierbarkeit des Nexius und die Aussicht, etliche Stunden lang in diese Maschine eingesperrt zu sein, nicht in Panik versetzen zu lassen.
»Möchten Sie etwas essen?« fragte die Stewardeß nach dem Start.
Nofretete verneinte.
»Oder vielleicht möchten Sie etwas zu trinken?« fragte die junge Frau nach und beugte sich besorgt zu ihr herab. »Vielleicht ein Glas Wasser. Sie sehen aus, als ginge es Ihnen nicht sehr gut.«
»Das . stimmt. Es ist nur .« Nofretete unterbrach sich, als sie spürte, wie sie an der linken Ferse zu zerfließen begann, weil sie einen Augenblick lang abgelenkt gewesen war, und bemühte sich, das Malheur wieder rückgängig zu machen.
»Vielleicht Flugangst?« half die Stewardeß aus.
»Ja.« Nofretete nickte. »Flugangst. Das ist es.« Und bei sich dachte sie: Was für ein absurder Gedanke - Flugangst bei einem Vampir! Laut sagte sie: »Aber es ist nicht so schlimm. Es geht schon.«
»Ich darf Ihnen versichern, unserer Kapitän ist ein erfahrener Pilot«, sagte die Stewardeß freundlich. »Er wird uns sicher ans Ziel bringen. Es besteht gar kein Grund für Sie, Angst zu haben.«
Nein, für mich nicht, dachte Nofretete. Aber für euch. Laut sagte sie: »Gut, das zu hören.«
Die Stewardeß richtete sich wieder auf. »Falls ich Ihnen noch behilflich sein kann, rufen Sie mich einfach.«
»Danke.« Nofretete war froh, als sie wieder allein war.
Der Flug schien sich endlos lange hinzuziehen: Erst glitt der Atlantik unter der Maschine hinweg, dann Frankreich und die Alpen und schließlich das italienische Festland. Für den traumhaften Ausblick aus dem Fenster hatte Nofretete keinen Blick übrig. Sie hielt die Arme an den Körper gepreßt und kämpfte immer stärker gegen die Ausbruchversuche des Nexius an. Sie spürte, daß bald der Zeitpunkt kommen würde, da sie ihn nicht mehr würde bändigen können.
Die Wolken nahmen zu, und die Landschaft unter ihnen wurde von dunkelgrauen Schwaden eingehüllt. Die Maschine geriet zuneh-mend in Turbulenzen.
Die Stewardeß tauchte neben Nofretete auf. »Ich wollte noch einmal nach Ihnen schauen. Meine Güte, Sie sind ja richtig bleich im Gesicht. Machen Sie sich keine Sorgen über den holperigen Flug; das kommt öfters vor und ist reine Routine.«
»Ich werde es schon schaffen«, preßte Nofretete angestrengt hervor.
»Und immer noch kein Glas Wasser?«
Nofretete schüttelte den Kopf. Die Stewardeß entfernt sich wieder. Kurz darauf knackten die Bordlautsprecher, und die Stimme des Flugkapitäns hallte durch den Passagierraum: »Verehrte Fluggäste, wie uns der Tower in Rom mitteilt, wütet dort gerade ein außergewöhnlich schweres Gewitter, weswegen alle Starts und Landungen annulliert worden sind.«
Unter den Passagieren kam sofort Unruhe auf. Auch Nofretete hob den Kopf und lauschte, was der Kapitän weiter zu verkünden hatte.
»Ich bitte Sie daher um Verständnis, daß unsere Landung dort nicht wie geplant stattfinden kann«, fuhr er fort. »Wir werden statt dessen in Neapel landen. Ich darf Ihnen versichern, daß Sie schnellstmöglich die Gelegenheit zu einem Transferflug nach Rom bekommen werden, sobald sich die Wetterlage dort gebessert hat. Auch für Ihre Unterbringung ist gesorgt. Ich danke für Ihr Verständnis und wünsche Ihnen weiterhin einen angenehmen Flug.«
Murren und vereinzelte wütende Proteste wurden laut. Die Stewardessen hatten alle Hände voll zu tun, die aufgebrachten Passagiere zu beruhigen. Unter den Reisenden befanden sich viele Geschäftsleute, deren geplante Termine nun über den Haufen geworfen wurden.
Nofretete überlegte fieberhaft, was sie tun sollte. Sie konnte kaum noch ihre menschliche Form wahren.
Sie rief die Stewardeß heran.
»Wie weit sind wir jetzt von Rom entfernt?« erkundigte sie sich.
»Jetzt, in diesem Moment? So genau kann ich das nicht sagen. Wir sind mitten über den Abruzzen.
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