Die Rückkehr des Poeten
jemand dran glauben müsste, dann er, nicht sie. Er würde rasch und in aller Stille abserviert. Wenn er Glück hatte, durfte er hinterher vielleicht zusammen mit Rachel in der Außenstelle Rapid City arbeiten.
»Im Sommer ist es in South Dakota übrigens sehr schön«, sagte sie. Sie stand auf und ging zur Tür.
»Agent Walling?«, sagte Alpert zu ihrem Rücken. »Warten Sie einen Moment.«
39
W
egen des Regens und des Winds landete Rachels Maschine mit einer halben Stunde Verspätung in Burbank. Das schlechte Wetter hatte die ganze Nacht angehalten, und die Stadt war in einen Schleier aus Grau gehüllt. Es war die Sorte Regen, der die Stadt lähmte. Auf jeder Straße und jedem Freeway kam der Verkehr nur noch im Schneckentempo voran. Für solche Witterungsverhältnisse waren die Straßen nicht gebaut. Die Stadt ebenfalls nicht. Bis Tagesanbruch waren die Abflusskanäle und Flutmulden voll, und der Los Angeles River hatte aus dem betonierten Kanal, der sich durch die Stadt zum Meer schlängelte, eine reißende Stromschnelle gemacht. Es war schwarzes Wasser, das die Asche von den Bränden mit sich führte, die im vorangegangenen Jahr die Hügel geschwärzt hatten. Über allem lag eine gewisse Weltuntergangsstimmung. Zuerst war die Stadt vom Feuer heimgesucht worden und jetzt vom Regen. In L.A. zu leben war manchmal, als ritte man Seite an Seite mit dem Teufel der Apokalypse entgegen. Leute, die ich an diesem Morgen sah, hatten einen Blick in den Augen, der zu sagen schien: Was kommt jetzt noch? Ein Erdbeben? Ein Tsunami? Oder vielleicht irgendeine hausgemachte Katastrophe? Ein Dutzend Jahre zuvor waren Feuer und Regen in der Stadt der Engel die Vorboten tektonischer wie gesellschaftlicher Verwerfungen gewesen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es jemanden gab, der bezweifelte, dass so etwas noch einmal passieren könnte.
Wenn wir dazu verdammt sind, uns in unseren Torheiten und Fehlern zu wiederholen, ist es nicht schwer, Natur und Gleichgewicht nach demselben Prinzip funktionieren zu sehen.
Solche Gedanken gingen mir durch den Kopf, als ich vor dem Terminal auf Rachel wartete. Der Regen prasselte auf die Windschutzscheibe und trübte sie. Der Wind schaukelte den Wagen auf seinen Federn. Ich dachte über meine Rückkehr in den Polizeidienst nach, hatte aber bereits wieder Zweifel an meiner Entscheidung und fragte mich, ob ich mich in meiner Torheit wiederholen würde oder ob ich diesmal eine Chance hätte, mich zu bewähren.
Wegen des Regens sah ich Rachel erst, als sie ans Beifahrerfenster klopfte. Danach ging sie nach hinten, öffnete die Heckklappe und warf ihre Tasche hinein. Sie trug einen grünen Parka und hatte sich die Kapuze über den Kopf gezogen. In Dakota hatte er ihr sicher gute Dienste geleistet, den Elementen zu trotzen, aber hier in L.A. sah er zu groß und voluminös aus.
»Ich hoffe nur, du hast nicht zu viel versprochen, Bosch«, sagte sie, als sie einstieg und vor Nässe triefend auf den Beifahrersitz plumpste. Sie zeigte kein erkennbares Zeichen von Zuneigung und ich ebenfalls nicht. Das war eins der Dinge, die wir am Telefon verabredet hatten. Solange wir meinem Verdacht nachgingen, würden wir wie Kollegen auftreten.
»Wieso? Hättest du was Besseres vorgehabt?«
»Nein, das ist nur, weil ich gestern Abend bei Alpert aufs Ganze gegangen bin. Noch ein Schnitzer und ich kann mich auf eine Dauerstationierung in South Dakota einstellen, wo übrigens das Wetter im Moment besser sein dürfte als hier.«
»Na, dann willkommen in L.A.«
»Ich dachte, das hier wäre Burbank.«
»Technisch gesehen, ja.«
Nachdem wir den Flughafen hinter uns gelassen hatten, nahm ich den Freeway 134 nach Osten zum 5er. Wegen des Regens und des morgendlichen Stoßverkehrs kamen wir nur langsam voran, als wir am Griffith Park entlang und dann nach Süden fuhren. Ich war noch nicht so weit, dass ich mir wegen der Zeit Sorgen machte, aber ich stand kurz davor.
Wir fuhren längere Zeit stumm dahin, weil die Mischung aus Regen und dichtem Verkehr viel Aufmerksamkeit erforderte, in Rachels Fall möglicherweise sogar mehr, weil sie nur dasitzen und nichts tun konnte, während ich das Steuer in der Hand hatte. Schließlich sagte sie etwas, und sei es auch nur, um etwas von der gespannten Atmosphäre abzubauen.
»Erzählst du mir vielleicht auch irgendwann mal, was du für einen großartigen Plan hast?«
»Keinen Plan, nur eine Ahnung.«
»Nein, Bosch, du hast gesagt, du kennst seinen nächsten Schritt.«
Ich
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