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Die Rückkehr des Poeten

Die Rückkehr des Poeten

Titel: Die Rückkehr des Poeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Anstrichs im Schlafzimmer eines Rauchers. Um seinen Hals spannte sich fest – zu fest – ein Kabelbinder. Charles Turrentine, nahm ich an. Ich nahm auch an, dass er der alte Mann auf dem Foto war, das Backus gemacht hatte. Er war umgebracht und dann wie ein Stapel alter Zeitungen auf der Veranda deponiert worden. Er hatte nichts mit dem Poeten am Hut gehabt. Er war nur ein Mittel zum Zweck gewesen.
    Ich hob meine Glock und ging zur Hintertür des Hauses. Ich wollte Rachel warnen, aber es gab keine Möglichkeit, das zu tun, ohne preiszugeben, wo ich mich befand, und möglicherweise auch sie zu verraten. Ich musste mich einfach weiter vorkämpfen, tiefer in das Dunkel des Hauses eindringen, bis ich auf sie oder auf Backus stieß.
    Die Tür war abgeschlossen. Ich beschloss, um das Haus herumzugehen und auf der Vorderseite zu Rachel zu stoßen. Doch als ich mich umdrehte, fiel mein Blick noch einmal auf den Toten, und mir kam eine Idee. Ich ging zur Couch und tastete die Hose des alten Mannes ab. Und ich wurde belohnt. Ich hörte das Klimpern von Schlüsseln.
     
    Rachel war umzingelt. Die Wände der Diele waren mit Bücherstapeln voll gestellt. Sie stand da, die Schusswaffe in der einen Hand, die Taschenlampe in der anderen, und spähte in das Wohnzimmer rechts von ihr. Noch mehr Bücher. Regale säumten die Wände, jedes davon brechend voll. Auch auf dem Couchtisch und den Beistelltischen und jeder waagrechten Oberfläche türmten sich Bücher. Irgendwie verlieh das dem Haus etwas Unheimliches. Es war kein Ort des Lebens, sondern ein Ort, an dem Tod und Verderben herrschten, an dem sich Bücherwürmer durch die Worte der Autoren fraßen.
    Sie versuchte, nicht zum Stillstand zu kommen und sich nicht zu sehr mit ihren wachsenden Befürchtungen zu befassen. Ihr kamen Bedenken, und sie überlegte, ob sie an die Tür zurückkehren und das Haus verlassen sollte, bevor sie entdeckt würde. Doch dann hörte sie die Stimmen und wusste, sie durfte nicht umkehren.
    »Wo ist Charles?«
    »Ich sagte: Setzen Sie sich. «
    Es ließ sich nicht bestimmen, aus welcher Richtung die Stimmen kamen. Das Prasseln des Regens, das Tosen des nahen Flusses und die allgegenwärtigen Bücher taten sich zusammen, um die Herkunft der Geräusche zu verschleiern. Rachel hörte die Stimmen zwar, aber sie konnte nicht sagen, woher sie kamen.
    Mehr Geräusche und Stimmen erreichten sie. Hauptsächlich Gemurmel und alle paar Augenblicke ein verständliches Wort, in Zorn oder Angst geformt.
    »Sie dachten …«
    Rachel bückte sich und legte die Taschenlampe auf den Boden. Sie hatte sie bisher noch nicht benutzt und wollte das jetzt noch weniger riskieren. Sie schlich in den Flur, wo es dunkler war. In die Zimmer auf der Vorderseite hatte sie bereits gesehen, und deshalb wusste sie, dass die Stimmen aus dem hinteren Teil des Hauses kommen mussten.
    Der Flur führte in eine Art Diele, von der in drei verschiedenen Richtungen Türen abgingen. Dort hörte sie die Stimmen von zwei Männern, und sie war sicher, dass sie von rechts kamen.
    »Schreiben Sie es!«
    »Ich kann nichts sehen!«
    Eine Art dumpfes Ratschen. Vorhänge, die zurückgezogen wurden.
    »So, sehen Sie jetzt genug? Schreiben Sie es oder es ist auf der Stelle zu Ende!«
    »Okay! Okay!«
    »Genau, was ich sage. Einst, um eine Mittnacht graulich …«
    Sie wusste, was es war. Sie erkannte die Worte Edgar Allan Poes. Und sie wusste, dass es Backus war, obwohl die Stimme anders klang. Er griff wieder auf die Verse zurück, schuf das Verbrechen neu, das ihm vor so langem genommen worden war. Bosch hatte Recht gehabt.
    Sie schlich in das Zimmer rechts von ihr und fand es leer vor. In seiner Mitte stand ein Billardtisch, jeder Zentimeter seiner Platte von Stapeln weiterer Bücher bedeckt. Sie begriff, was Backus getan hatte. Er hatte Ed Thomas hierher gelockt, weil der Mann, der hier wohnte – Charles Turrentine –, ein Sammler war. Er hatte gewusst, dass Thomas sich seine Sammlung ansehen würde.
    Sie begann sich umzudrehen, um sich zurückzuziehen und in das nächste Zimmer zu schauen. Doch bevor sie sich mehr als ein paar Zentimeter bewegt hatte, spürte sie die kalte Mündung einer Pistole an ihrem Hals.
    »Hallo, Rachel«, sagte Robert Backus mit seiner chirurgisch veränderten Stimme. »Das nenne ich aber eine Überraschung.«
    Sie erstarrte, und im selben Moment wusste sie, dass er sich auf keinen Fall austricksen ließe, dass er alle Tricks und alle Kniffe kannte. Sie wusste, sie hatte nur

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