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Die Rückkehr des Poeten

Die Rückkehr des Poeten

Titel: Die Rückkehr des Poeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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und Finsternis wiedergeboren worden war. Wenn sie bloß wüssten, wer sich hier in ihrer Mitte befand.
    Vorübergehend erhaschte er einen Blick auf einen dunklen, sternenlosen Himmel. Er fiel hintenüber, wild mit den Armen um sich schlagend, die federlosen und nutzlosen Flügel eines noch nicht flüggen Vogels, der aus dem Nest gestoßen wurde.
    Aber er hatte überlebt und zu fliegen gelernt.
    Er fing zu lachen an und bediente mit dem Fuß die Spülung, um das Geräusch zu übertönen.
    »Ihr könnt mich alle mal«, flüsterte er.
    Er wartete, dass seine Erektion nachließ, und dachte dabei lächelnd über ihre Ursache nach. Er kannte sein eigenes Profil so gut. Letzten Endes ging es immer ums Gleiche. Was die winzigen Abstände zwischen den Synapsen in den grauen Gehirnwindungen anging, war nur ein Nanometer Unterschied zwischen Macht und Sex und Erfüllung. An dieser Engstelle lief alles auf das Gleiche hinaus.
    Als er fertig war, spülte er noch einmal. Auch diesmal tat er es bewusst wieder mit dem Schuh. Dann verließ er das Abteil. Er wusch sich erneut die Hände und prüfte im Spiegel sein Aussehen. Er lächelte. Er war ein neuer Mensch. Rachel würde ihn nicht erkennen. Niemand würde das. Voller Zuversicht öffnete er den Reißverschluss seiner MGM-Tasche und sah nach seiner Digitalkamera. Sie war an ihrem Platz und betriebsbereit. Er beschloss, das Risiko einzugehen und ein paar Fotos von Rachel zu machen. Nur ein paar Erinnerungsstücke, ein paar heimlich aufgenommene Schnappschüsse, die er bewundern und genießen könnte, wenn alles vorüber war.

8
    D
    ie Fischbox. Der Umstand, dass Buddy sie erwähnt hatte, erinnerte mich an den Bericht des Sheriff’s Department oben in der Schublade des Kartentisches.
    »Danach wollte ich Sie übrigens noch fragen. Sie sagen, dieser Kerl hat das GPS geklaut?«
    »Dieser hinterfotzige Scheißkerl, ich bin sicher, dass er es war. Er fährt mit uns raus, und prompt ist mein GPS weg, und er fängt drüben an der Landenge einen Charter an. Wenn das nicht zum Himmel stinkt. Ich habe mir schon überlegt, ob ich nicht mal rüberfahren und diesem Drecksack einen kleinen Besuch abstatten soll.«
    Ich hatte Mühe, ihm zu folgen. Deshalb bat ich ihn, mir das Ganze so zu erklären, dass auch ich es verstand.
    »Die Sache ist die«, begann er. »In diesem kleinen Kasten waren unsere ganzen guten Stellen drin. Die besten Plätze zum Fischen, Mann. Und nicht nur das: Die Stellen waren von dem Typen eingetragen, von dem ich das Gerät gewonnen habe. Das Wertvolle daran war also nicht der Kasten selbst, sondern das, was drauf war. Der Typ hat seine zwölf besten Fischplätze gesetzt, und ich hab sie mit einem Full House gewonnen.«
    »Ach so, jetzt verstehe ich. Der Wert lag also bei den Koordinaten der Fischplätze, die darauf gespeichert waren, nicht beim Gerät selbst.«
    »Genau. So ein Gerät kostet vielleicht ein paar hundert Dollar. Aber die Fischplätze, die sind unbezahlbar, da stecken jahrelange Arbeit und Erfahrung drin.«
    Ich zeigte auf das Foto auf dem Monitor.
    »Und dieser Typ kommt an und klaut es, gründet seine eigene Charterfirma und macht sich Ihre Erfahrung zunutze und die des Kerls, von dem Sie es gewonnen haben.«
    »So ist es. Wie gesagt, ich werde ihm demnächst einen Besuch abstatten.«
    »Wo ist die Landenge?«
    »Auf der anderen Seite, wo die Insel ganz schmal wird, wie bei einer Acht.«
    »Haben Sie dem Sheriff’s Department von Ihrem Verdacht erzählt, dass er das GPS gestohlen haben könnte?«
    »Zuerst nicht, weil wir es nicht wussten, verstehen Sie? Der Kasten war plötzlich verschwunden, und wir dachten, dass vielleicht irgendwelche Jugendlichen nachts an Bord gekommen sind und einfach alles mitgehen ließen, was nicht niet- und nagelfest war. Was ich so höre, muss es verdammt langweilig sein, auf der Insel aufzuwachsen. Fragen Sie nur mal Graciela wegen Raymond – der Junge kriegt allmählich den Inselkoller. Jedenfalls, wir haben Anzeige erstattet, und damit hatte es sich. Doch dann sehe ich ein paar Wochen später diese Annonce in Fish Tales, sie war von einer neuen Charterfirma drüben an der Landenge, und es war ein Foto von dem Kerl dabei, da hat es bei mir sofort klick! gemacht, den Kerl kennst du doch, und im selben Moment war der Fall für mich klar. Er hat meine Fischbox gestohlen.«
    »Haben Sie daraufhin den Sheriff noch mal angerufen?«
    »Klar, ich sagte ihnen, dass es dieser Typ war. Hat sie aber nicht sonderlich interessiert. Als

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