Die Rückkehr des Poeten
auf, und das tat auch sie. Sie nahm noch einen Schluck Bier und stellte die halb volle Flasche auf den Esstisch.
»Morgen um acht«, sagte sie. »Holen Sie mich ab?«
»Ja.«
»Wollen Sie wirklich nicht, dass ich fahre. Dass Uncle Sugar fürs Benzin zahlt?«
»Nein, nein, das ist schon okay so. Können Sie sich Fotos von den Vermissten besorgen? Die einzigen, die ich hatte, waren auf dem Zeitungsausschnitt, aber den hat mir Agent Dei abgenommen.«
»Ich sehe, was ich machen kann. Aber eigentlich müsste es in der Dienststelle noch einen Sechserpack geben, den niemand vermisst.«
»Und noch etwas. Nehmen Sie Ihre beiden Freunde mit.«
»Welche Freunde?«
»Sig und Glock.«
Sie lächelte und schüttelte den Kopf über ihn.
»Sie dürfen jetzt keine Waffe mehr tragen, oder? Zumindest nicht offiziell.«
»Nein, darf ich nicht. Tue ich auch nicht.«
»Fühlen Sie sich da nicht irgendwie nackt?«
»Doch, so könnte man es nennen.«
Sie lächelte wieder.
»Also, von mir kriegen Sie keine Waffe, Harry. Auf gar keinen Fall.«
Er zuckte die Achseln.
»Fragen kostet ja nichts.«
Er öffnete die Tür, und sie ging nach draußen. Nachdem er sie wieder geschlossen hatte, ging Rachel die Treppe zum Parkplatz hinunter und sah zur Tür hoch. Sie fragte sich, ob er sie durch den Spion beobachtete. Sie stieg in den Crown Vic, den sie aus dem FBI-Fuhrpark hatte. Sie war nahe daran, sich eine Menge Ärger einzuhandeln. Was sie Bosch erzählt und wozu sie sich für den nächsten Tag bereit erklärt hatte, liefe auf das Endstadium der Ruinierung ihrer Karriere hinaus, wenn etwas schief ging. Aber das war ihr egal. Es war eine Spielerstadt. Sie vertraute auf Bosch und sie vertraute auf sich selbst. Sie würde sie nicht gewinnen lassen.
Als sie mit dem Crown Vic rückwärts aus der Lücke stieß, sah sie ein Taxi auf dem Motelparkplatz anhalten. Ein pummeliger Mann mit sonnengebleichtem Haar und einem knallbunten Hawaiihemd stieg aus und studierte die Nummern auf den Zimmertüren. Er hatte einen dicken Umschlag oder Aktenordner bei sich, der alt und vergilbt aussah. Rachel beobachtete, wie der Mann die Treppe hinaufging und vor Apartment 22 stehen blieb, Boschs Wohnung. Die Tür ging auf, bevor er klopfen konnte.
Rachel stieß ganz aus der Lücke und fuhr vom Parkplatz auf die Koval Lane. Sie fuhr einmal um den Block und parkte an einer Stelle, wo sie beide Ausfahrten von Boschs billigem Motel im Blick hatte. Sie war sicher, dass Bosch etwas im Schilde führte, und sie würde herausfinden, was das war.
25
B
ackus hatte nur einen flüchtigen Blick auf den Mann erhascht, der auf Rachel Wallings Klopfen hin an die Tür des Motelzimmers gekommen war. Aber er glaubte, ihn aus einer Zeit zu kennen, die viele Jahre zurücklag. Er spürte, wie sein Puls schneller wurde. Wenn er sich bezüglich des Mannes, den Rachel in Zimmer 22 aufsuchte, nicht täuschte, war der Einsatz erheblich höher geworden.
Er beobachtete das Motel und seine Umgebung. Die drei Observierungsfahrzeuge des FBI hatte er bereits entdeckt. Die Agenten hielten sich im Hintergrund. Einer hatte sich auf der anderen Seite der Koval Lane auf der Bank einer Bushaltestelle postiert. Er wirkte ziemlich fehl am Platz, wie er in seinem grauen Anzug scheinbar auf den Bus wartete, aber das war typisch FBI.
Backus konnte sich also ungestört auf dem Motelgelände bewegen. Es hatte die Form eines L, mit Parkmöglichkeiten auf allen Seiten. Er merkte, dass er vielleicht von der anderen Seite des Gebäudes durch ein Fenster oder eine Balkontür noch einmal einen Blick auf den Mann erhaschen könnte, bei dem Rachel war.
Er wollte nicht riskieren, das Auto vom vorderen Parkplatz auf den hinteren zu fahren. Das könnte die Aufmerksamkeit des Bankhockers auf der anderen Straßenseite erregen. Deshalb öffnete er die Fahrertür und schlüpfte aus dem Auto. Weil er die Innenbeleuchtung ausgeschaltet hatte, bestand keine Gefahr, dass er dabei bemerkt würde. Geduckt schlich er zwischen zwei anderen Autos hindurch und richtete sich dann auf. Gleichzeitig setzte er eine Baseballkappe auf und zog sich das Schild tief ins Gesicht. Auf der Kappe stand UNLV.
Backus ging durch den überdachten Verbindungsgang im Erdgeschoss des zweigeschossigen Motels, vorbei an den Getränke- und Süßigkeitenautomaten und hinaus auf den hinteren Parkplatz, wo er so tat, als suchte er nach seinem Auto. Er blickte zu der beleuchteten Balkontür hoch, die seiner Meinung nach zu Apartment 22 gehörte,
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