Die Rückkehr des Poeten
musste.
»Schmeckt nicht übel.«
»Klar. Welchen Part haben sie Ihnen dabei zugeteilt? Oder müssen Sie bloß herumstehen und den Mund halten – wie Agent Zigo?«
Rachel schenkte ihm ein kurzes Lachen.
»Ja. Ich glaube nicht, dass ich ihn schon einen ganzen Satz habe sagen hören. Aber andererseits bin ich erst ein paar Tage hier. Im Grunde genommen haben sie mich dazugeholt, weil sie keine große Wahl hatten. Ich habe noch von früher meine spezielle kleine Geschichte mit Bob Backus laufen, und das GPS wurde an mich nach Quantico geschickt, obwohl ich schon acht Jahre nicht mehr dort war. Wie Sie in dem Wohnmobil mitgekriegt haben, könnte es hier um mich gehen. Vielleicht, vielleicht auch nicht, jedenfalls bringt es mich ins Spiel.«
»Und von wo hat man Sie geholt?«
»Aus Rapid City.«
Bosch verzog das Gesicht.
»Nein, nein«, sagte sie. »Ist richtig klasse dort. Davor war ich in Minot, North Dakota. Ein Einagentenbüro. Im zweiten Jahr hatten sie dort, glaube ich, tatsächlich so etwas wie einen Frühling.«
»Ganz schön hart, wirklich. Wenn sie einen in L.A. loswerden wollen, verschreiben sie einem, was sie ›Freeway-Therapie‹ nennen. Man versetzt Sie in die Dienststelle, die am weitesten von Ihrem Wohnort entfernt ist, damit Sie sich jeden Tag im Stau zermürben lassen dürfen. Ein paar Jahre mit zwei Stunden Fahrt zur Arbeit, da gibt irgendwann jeder freiwillig seine Dienstmarke ab.«
»Haben sie das auch mit Ihnen gemacht?«
»Nein, aber Sie wissen wahrscheinlich schon, was mit mir los war?«
Darauf ging sie nicht ein, sondern zog sich rasch in die andere Richtung zurück.
»Beim FBI haben sie das ganze Land zur Verfügung und noch ein bisschen mehr. Sie nennen es nicht ›Freeway-Therapie‹, sondern ›Härtestationierung‹. Sie schicken einen dorthin, wo niemand hinwill. Und solche Orte gibt es eine ganze Menge, Orte, an denen sie einen Agenten versauern lassen können, wenn sie wollen. In Minot hatte ich lauter Reservat-Fälle, und in den Reservaten sind wir vom FBI nicht sonderlich gut gelitten. Rapid City ist nur ein kleiner Fortschritt. Aber wenigstens gibt es in der Dienststelle dort noch andere Agenten. Meine Mitausgestoßenen. Wir fühlen uns dort eigentlich sogar ganz wohl, weil man dort nicht so unter Druck steht. Wissen Sie, was ich meine?«
»Ja. Wie lang sind Sie schon dort oben?«
»Insgesamt acht Jahre.«
»O Mann.«
Sie machte mit ihrer freien Hand eine wegwerfende Bewegung, als wäre das alles Schnee von gestern. Sie war dabei, ihn einzuwickeln. Indem sie sich ihm öffnete, brachte sie ihn dazu, ihr zu vertrauen. Sie brauchte sein Vertrauen.
»Was mich interessieren würde«, sagte er. »War das, weil Sie der Bote waren? Weil Sie auf Backus geschossen haben? Oder weil er entkommen ist?«
»Das alles und auch noch verschiedene andere Dinge. Fraternisieren mit dem Feind, im Unterricht Kaugummi kauen, das Übliche.«
Er nickte.
»Warum haben Sie nicht einfach alles hingeschmissen, Rachel?«
»Weil ich ihnen ganz einfach diesen Triumph nicht gönnen wollte, Harry.«
Er nickte wieder, und sie konnte ein Leuchten in seinen Augen sehen. Mit dieser Antwort hatte sie etwas in ihm berührt. Sie wusste es, konnte es spüren, und es war ein gutes Gefühl.
»Darf ich Ihnen etwas sagen, was aber strikt unter uns bleiben muss, Harry?«
»Klar.«
»Mein augenblicklicher Auftrag lautet, Sie im Auge zu behalten.«
»Mich? Warum? Ich weiß zwar nicht, ob Sie heute in dieser Außenstelle auf vier Rädern zugehört haben, aber ich wurde gewissermaßen von den Ermittlungen ausgeschlossen.«
»Ja, und ich bin sicher, Sie nehmen das widerspruchslos hin und ziehen sich einfach zurück.«
Sie drehte sich um und sah zum Tisch, auf den Straßenatlas und seinen Notizblock. Dann wandte sie sich wieder ihm zu und fuhr in strengem, aber gelassenem Ton fort: »Mein Auftrag lautet, Sie zu beobachten und Ihnen sofort auf die Finger zu klopfen, sobald Sie sich auch nur annäherungsweise in die Ermittlungen einmischen.«
»Hören Sie, Agent Walling, ich glaube nicht …«
»Kommen Sie mir nicht plötzlich wieder auf die förmliche Tour.«
»Na schön, dann Rachel. Wenn das eine Drohung sein soll, dann schön, ich habe verstanden. Nachricht überbracht. Aber ich glaube nicht, dass Sie …«
»Ich drohe Ihnen nicht. Ich bin hier, um Ihnen zu sagen, dass ich nicht vorhabe, meinen Auftrag auszuführen.«
Er schwieg und betrachtete sie eine Weile prüfend.
»Wie bitte?«
»Ja, Sie haben
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