Die Rückkehr des Sherlock Holmes
noch, daß inzwischen das Schlimmste eingetreten war.«
»Es ist ein besonderer Vorzug, mit Ihnen zusammen einen Fall bearbeiten zu dürfen«, sagte der Inspektor herzlich. »Verzeihen Sie mir jedoch, wenn ich offen zu Ihnen bin. Sie sind nur sich selbst verantwortlich, während ich mich vor meinen Vorgesetzten zu verantworten habe. Wenn dieser Abe Slaney, der da bei Elriges wohnt, wirklich der Mörder ist, und wenn er, während ich hier herumsitze, die Flucht ergreift, werde ich gewiß in ernstliche Schwierigkeiten kommen.«
»Beunruhigen Sie sich nicht. Er wird nicht versuchen, zu fliehen.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Mit seiner Flucht würde er seine Schuld eingestehen.«
»Dann wollen wir ihn verhaften.«
»Ich erwarte sein Eintreffen jeden Augenblick.«
»Aber warum sollte er hierherkommen?«
»Weil ich ihn in meinem Brief darum gebeten habe.«
»Aber das ist doch unglaublich, Mr. Holmes! Wieso sollte er kommen, nur weil Sie ihn darum bitten? Würde ein solches Ansinnen nicht eher seinen Verdacht erregen und ihn zur Flucht veranlassen?«
»Ich denke, ich habe den Brief wohl abzufassen gewußt«, sagte Sherlock Holmes. »Ja, wenn ich nicht sehr irre, kommt der Gentleman soeben den Torweg herauf.«
Tatsächlich schritt ein Mann den Pfad auf die Tür zu. Es war ein großer, stattlicher, braungebrannter Bursche, gekleidet in einen grauen Flanellanzug und Panamahut; er hatte einen strotzenden schwarzen Bart und eine aggressive Hakennase und schwenkte beim Gehen einen Stock. Er stolzierte über den Weg, als ob das Anwesen ihm gehöre, und wir hörten, wie er laut und dreist die Glocke zog.
»Gentlemen, ich glaube«, sagte Holmes ruhig, »wir sollten uns am besten hinter der Tür aufstellen. Beim Umgang mit solchen Burschen kann man gar nicht vorsichtig genug sein. Sie werden Ihre Handschellen benötigen, Inspektor. Das Reden können Sie mir überlassen.«
Schweigend warteten wir eine Minute – eine jener Minuten, die man nie vergessen kann. Dann öffnete sich die Tür, und der Mann trat herein. Blitzschnell setzte Holmes ihm eine Pistole an den Kopf, und Martin legte ihm die Handschellen an. All dies geschah so rasch und behende, daß der Bursche schon wehrlos war, ehe er auch nur merken konnte, wie ihm geschah. Er starrte uns mit seinen funkelnden schwarzen Augen einen nach dem anderen an. Dann brach er in ein bitteres Lachen aus.
»Nun, Gentlemen, jetzt freilich sind Sie am Drücker. Ich scheine hier auf Grund gelaufen zu sein. Aber ich kam hierher, weil Mrs. Hilton Cubitt mich in einem Brief darum gebeten hat. Sagen Sie nur nicht, daß sie dahintersteckt! Sagen Sie mir nicht, sie hätte Ihnen dabei geholfen, mir diese Falle zu stellen!«
»Mrs. Hilton Cubitt wurde gefährlich verwundet und steht an der Pforte des Todes.«
Der Mann stieß einen rauhen Schmerzensruf aus, der durch das ganze Haus schallte.
»Sie sind verrückt!« schrie er hitzig. »
Er
wurde verwundet, nicht sie. Wer würde der kleinen Elsie etwas zuleide tun? Ich mag sie bedroht haben, Gott verzeih mir, aber ich würde ihr nicht ein einziges Haar auf ihrem hübschen Kopf krümmen! Nehmen Sie das zurück – Sie! Sagen Sie, daß sie nicht verwundet ist!«
»Sie wurde schwer verletzt neben ihrem toten Mann gefunden.«.
Er sank mit einem tiefen Stöhnen auf das Sofa und vergrub das Gesicht in seinen gefesselten Händen. Fünf Minuten verharrte er schweigend. Dann sah er wieder auf und sprach mit der kalten Fassung des Verzweifelten.
»Ich habe Ihnen nichts zu verbergen, Gentlemen«, sagte er. »Wenn ich auch auf diesen Mann geschossen habe, so hat er auch auf mich geschossen, und das ist dann kein Mord gewesen. Aber wenn Sie glauben, ich könnte dieser Frau etwas getan haben, dann kennen Sie weder mich noch sie. Ich sag Ihnen, auf der ganzen Welt hat nie ein Mann eine Frau mehr geliebt als ich sie. Ich hatte ein Recht auf sie. Vor Jahren war sie mir versprochen. Wer war denn dieser Engländer, daß er sich zwischen uns stellen konnte? Ich sag Ihnen, ich hatte das erste Recht auf sie, und ich habe nur beansprucht, was ohnehin mir gehörte.«
»Sie hat sich Ihrem Einfluß entzogen, als sie merkte, was für ein Mann Sie waren«, sagte Holmes streng. »Sie ist aus Amerika geflohen, um Ihnen zu entrinnen, und sie hat in England einen ehrbaren Gentleman geheiratet. Sie haben sie verfolgt und bedrängt und ihr das Leben schwer gemacht, um sie dazu zu bringen, den Mann, den sie liebte und achtete, zu verlassen, damit sie mit Ihnen
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