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Die Rückkehr des Sherlock Holmes

Die Rückkehr des Sherlock Holmes

Titel: Die Rückkehr des Sherlock Holmes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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schönen, großen, anmutigen und majestätischen Frau, die am späten Abend in Baker Street vorsprach und ihn um Unterstützung und Rat anflehte, die Anhörung ihrer Geschichte zu verweigern. Vergebens brachte er vor, daß seine Zeit bereits voll in Anspruch genommen sei, denn die junge Dame war mit dem festen Entschluß gekommen, ihre Geschichte loszuwerden, und es war offensichtlich, daß sie nur mit Gewalt aus dem Zimmer hätte vertrieben werden können, ehe sie dies nicht erreicht hätte. Resignierend und mit erschöpftem Lächeln bat Holmes schließlich den schönen Eindringling, Platz zu nehmen und uns mitzuteilen, was ihr Kummer mache.
    »Zumindest kann es nicht Ihre Gesundheit sein«, sagte er, indem er sie mit seinen wachsamen Augen maß; »eine so eifrige Radfahrerin muß ja vor Energie strotzen.«
    Sie sah überrascht auf ihre Füße, und ich bemerkte die leichte Aufrauhung am Rand der Sohle, die von der Reibung mit der Pedalkante herrührte.
    »Ja, ich fahre viel mit dem Rad, Mr. Holmes, und das hat auch etwas mit meinem heutigen Besuch bei Ihnen zu tun.«
    Mein Freund ergriff die unbehandschuhte Hand der Lady und betrachtete sie mit so gespannter Aufmerksamkeit und so wenig Gefühl wie ein Wissenschaftler, der ein Präparat untersucht.
    »Sie werden mich sicher entschuldigen: aber das ist mein Geschäft«, sagte er, als er sie losließ. »Ich verfiel beinahe dem Irrtum, anzunehmen, sie seien Maschineschreiberin. Aber es ist natürlich einleuchtend, daß Sie ein Instrument spielen. Sie bemerken die abgeflachten Fingerkuppen, Watson, die beiden Professionen gemeinsam sind? Ihr Gesicht hat jedoch etwas Vergeistigtes« – er drehte es sanft zum Licht – »das nicht von der Schreibmaschine kommen kann. Diese Dame ist Musikerin.«
    »Das stimmt, Mr. Holmes, ich bin Musiklehrerin.«
    »Und zwar auf dem Lande, wie ich aus Ihrer Gesichtsfarbe schließe.«
    »Ja, Sir; in der Nähe von Farnham, an der Grenze zu Surrey.«
    »Eine herrliche Nachbarschaft, die mich an die interessantesten Dinge denken läßt. Sie erinnern sich, Watson, daß wir in dieser Gegend den Falschmünzer Archie Stamford gefaßt haben? Nun, Miss Violet, was ist Ihnen bei Farnham, an der Grenze zu Surrey, zugestoßen?«
    Die junge Dame gab mit großer Klarheit und Ruhe folgende merkwürdige Erklärung ab:
    »Mein Vater war James Smith, der ehemalige Dirigent des Orchesters am alten Imperial Theatre. Nach seinem Tod blieben meine Mutter und ich ohne Verwandte zurück, bis auf einen Onkel, Ralph Smith, der vor fünfundzwanzig Jahren nach Afrika gegangen ist und von dem wir seither nichts mehr gehört hatten. Als Vater starb, ließ er uns sehr arm zurück, doch eines Tages machte man uns darauf aufmerksam, daß jemand in einer Anzeige der
Times
nach unserem Aufenthaltsort forschte. Sie können sich vorstellen, wie aufgeregt wir waren, denn wir glaubten, jemand habe uns ein Vermögen vermacht. Wir begaben uns sofort zu dem Anwalt, dessen Name in der Zeitung angegeben war. Dort trafen wir zwei Gentlemen an, Mr. Carruthers und Mr. Woodley, die aus Südafrika hier auf Heimaturlaub waren. Sie sagten, mein Onkel sei ein Freund von ihnen gewesen, er sei vor einigen Monaten verarmt in Johannesburg gestorben und habe sie mit seinem letzten Atemzug gebeten, seine Verwandten aufzuspüren und dafür zu sorgen, daß es uns an nichts fehle. Es kam uns merkwürdig vor, daß Onkel Ralph, der zu seinen Lebzeiten keine Notiz von uns genommen hatte, sich so fürsorglich um uns kümmern sollte, wenn er tot war; aber Mr. Carruthers erklärte, der Grund dafür sei der, daß mein Onkel vom Tod seines Bruders erfahren und sich sogleich für unser Schicksal verantwortlich gefühlt habe.«
    »Verzeihen Sie«, sagte Holmes; »wann hat dieses Gespräch stattgefunden?«
    »Im vorigen Dezember – vor vier Monaten.«
    »Fahren Sie bitte fort.«
    »Mr. Woodley machte auf mich einen sehr abstoßenden Eindruck. Ständig machte er mir Augen – ein derber junger Mann mit aufgedunsenem Gesicht und rotem Schnauzbart, sein Haar klebte ihm auf den Schläfen. Er war mir vollkommen verhaßt – und ich war davon überzeugt, daß Cyril nicht wünschen konnte, daß ich mit einem solchen Menschen Umgang hätte.«
    »Aha, Cyril heißt er also!« sagte Holmes lächelnd.
    Die junge Dame errötete und lachte.
    »Ja, Mr. Holmes; Cyril Morton, Elektrotechniker; wir hoffen, Ende des Sommers heiraten zu können. Du liebe Zeit, wie komme ich jetzt nur auf ihn zu sprechen? Was ich sagen wollte, war

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