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Die Rückkehr des Tanzlehrers

Die Rückkehr des Tanzlehrers

Titel: Die Rückkehr des Tanzlehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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besagen soll? Und wem? Überleg mal, und laß dann von dir hören. Ich fahre jetzt zurück nach Östersund.«
    »Das klingt alles sehr merkwürdig.«
    »Das ist sehr merkwürdig. Und erschreckend. Ich bin davon überzeugt, daß sich hinter dem, was hier geschehen ist, etwas verbirgt, was wir uns absolut nicht vorstellen können.«
    »Meinst du, es ist derselbe Täter?«
    »Bestimmt. Melde dich. Und fahr vorsichtig.«
    Es knisterte im Telefon, dann war es tot. Stefan lauschte dem Ticken der Warnblinkanlage. Ein Wagen fuhr vorüber, dann ein weiterer. Ich fahre jetzt nach Hause, dachte er. Emil Wet-terstedt hat nichts Neues beigetragen. Dagegen hat er bestätigt, was ich schon wußte. Herbert Molin ist ein Nazi gewesen, der nie auf andere Gedanken gekommen ist. Einer von den Unverbesserlichen.
    Mit dem festen Vorsatz, jetzt nach Boras zurückzukehren, fuhr er auf die Brücke. Doch schon bevor er das Brückenende auf der Festlandseite erreichte, hatte er sich anders entschieden.
    Er träumte, daß er durch den Wald auf Herbert Molins Haus zuging. Es wehte ein kräftiger Wind, so daß er sich kaum aufrecht halten konnte. Er hielt eine Axt in der Hand und fürchtete sich vor etwas, was hinter ihm war. Als er ankam, blieb er beim Hundezwinger stehen. Der starke Wind war plötzlich verschwunden, als habe jemand in seinem Traum ein Tonband durchgeschnitten. Im Zwinger waren zwei Hunde, die sich wütend gegen den Zaun warfen.
    Er fuhr zusammen und wurde aus dem Traum herausgeschleudert. Aber es waren nicht die Hunde, die den Zaun durchbrochen hatten, sondern eine Frau, die vor ihm stand und ihm auf die Schulter tippte. »Wir wollen nicht, daß die Leute hier sitzen und schlafen«, sagte sie streng. »Dies hier ist eine Bibliothek und kein Ort zum Aufwärmen.«
    »Entschuldigung.«
    Stefan blickte sich verschlafen im Lesesaal um. Ein älterer Mann mit aufgedrehten Schnurrbartenden saß in der Nähe und las Punch. Er sah aus wie die Karikatur eines britischen Gentleman. Er betrachtete Stefan mißbilligend. Stefan zog das Buch, über dem er eingeschlafen war, zu sich heran und blickte auf die Uhr. Viertel nach sechs. Wie lange hatte er geschlafen? Vielleicht zehn Minuten, kaum mehr. Er schüttelte den Kopf, verdrängte die Hunde aus seinem Bewußtsein und beugte sich wieder über das Buch.
    Auf der Brücke hatte er einen Entschluß gefaßt. Er würde einen nächtlichen Besuch in Emil Wetterstedts Wohnung machen. Aber noch einmal im Hotel zu übernachten brachte er nicht über sich. Er würde warten, bis es Nacht wurde. Dann würde er sich Zutritt zu der Wohnung verschaffen.
    Bis dahin konnte er nichts anderes tun als warten.
    Er hatte den Wagen in einiger Entfernung von der Lag-mansgata geparkt, war dann zu einer Eisenwarenhandlung gegangen, wo er einen Schraubenzieher und das kleinste Brecheisen gekauft hatte, das er finden konnte. In einem Herrenbekleidungsgeschäft hatte er ein Paar billige Handschuhe ausgesucht.
    Dann war er in der Stadt umhergeirrt, bis er Hunger bekam. Er hatte in einer Pizzeria gegessen und die Lokalzeitung Barometer gelesen. Nachdem er zwei Tassen Kaffee getrunken hatte, überlegte er, ob er zum Wagen zurückgehen sollte, um ein paar Stunden zu schlafen. Da war er darauf gekommen, daß er die Stadtbibliothek aufsuchen könnte. Er hatte sich zur Bibliothek durchgefragt und unter den Büchern in der Abteilung für Geschichte gefunden, was er suchte. Einerseits ein dickes Werk über die Geschichte des deutschen Nationalsozialismus, andererseits eine kleinere Schrift über die Hitlerzeit in Schweden. Den dicken Band hatte er bald zur Seite gelegt.
    Aber das dünnere Buch hatte nach kurzer Zeit sein Interesse geweckt. Die Geschichte wurde sehr anschaulich erzählt. Nachdem er etwa eine Stunde gelesen hatte, wurde ihm etwas klar, was er früher nie verstanden hatte. Was Emil Wetterstedt gesagt hatte und vielleicht auch Elsa Berggren: Der Nationalsozialismus war im Schweden der dreißiger Jahre und bis 1943 oder 44 sehr viel verbreiteter gewesen, als den meisten heutzutage bewußt war. Es hatte mehrere nationalsozialistische Parteien gegeben, die untereinander zerstritten waren. Hinter den paradierenden Männern und Frauen hatte sich eine graue Masse anonymer Menschen befunden, die Hitler verherrlicht und nichts sehnlicher gewünscht hatten als eine deutsche Invasion und ein nationalsozialistisches Regime. Er fand in dem Text verblüffende Informationen über die Nachgiebigkeit der schwedischen Regierung

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