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Die Rückkehr des Tanzlehrers

Die Rückkehr des Tanzlehrers

Titel: Die Rückkehr des Tanzlehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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mit diesem Land geschieht.«
    »Und er hat vor nichts anderem Angst gehabt? Etwas, was ihn persönlich betraf?«
    »Was hätte das sein sollen? Er hat es vorgezogen, seine politische Identität zu verbergen, und ich konnte ihn verstehen. Aber ich glaube nicht, daß er Angst hatte, entlarvt zu werden. Daß Papiere in falschen Händen landen könnten.«
    Der Junge hustete, und Wetterstedt verstummte augenblicklich. Jetzt hat er zuviel gesagt, dachte Stefan. Der Junge hält ihn unter Aufsicht.
    »Was für Papiere denn?« fragte Stefan.
    Wetterstedt schüttelte unwillig den Kopf. »Es gibt so viel Papier auf dieser Welt«, antwortete er ausweichend.
    Stefan wartete auf eine Fortsetzung, die nicht kam.
    Wetterstedt trommelte ungeduldig auf die Lehne. »Ich bin
    ein alter Mann. Gespräche sind mir eine Last. Ich lebe in einem endlosen Dämmerland. Ich warte auf nichts mehr. Ich möchte, daß Sie mich jetzt in Ruhe lassen.«
    Der Junge neben dem Sessel lächelte boshaft. Stefan dachte, daß die meisten seiner Fragen unbeantwortet bleiben würden. Die Audienz, die Wetterstedt bewilligt hatte, war beendet.
    »Magnus bringt Sie hinaus«, sagte Wetterstedt. »Sie brauchen mir nicht die Hand zu geben. Ich fürchte Bakterien mehr als Menschen.«
    Der Junge, der Magnus hieß, öffnete die Haustür. Der dichte Nebel lag immer noch schwer über der Landschaft.
    »Wie weit ist es bis zum Meer?« fragte Stefan, als sie zum Wagen gingen.
    »Darauf brauche ich wohl nicht zu antworten, oder?«
    Stefan blieb stehen. Die Wut kochte in ihm hoch. »Ich habe mir die schwedischen Naziwelpen immer mit glattrasiertem Schädel und Springerstiefeln vorgestellt. Jetzt wird mir klar, daß sie auch ganz anders aussehen können. Wie du zum Beispiel.«
    Der Junge lachte. »Emil hat mir beigebracht, Provokationen standzuhalten.«
    »Was bildest du dir eigentlich ein? Daß der Nationalsozialismus in Schweden eine Zukunft hat? Wollt ihr alle Einwanderer rausschmeißen? Dann könnt ihr ein paar Millionen Schweden über die Grenze jagen. Der Nationalsozialismus ist tot. Er ist mit Hitler untergegangen. Was treibst du da? Wäschst einem alten Mann den Arsch. Einem Mann, der die zweifelhafte Ehre hatte, Hermann Göring die Hand zu schütteln. Was, glaubst du, kann der dir beibringen?«
    Sie hatten die Wagen und das Motorrad erreicht. Stefan war in seiner Wut der Schweiß ausgebrochen. »Was, glaubst du, kann der dir beibringen?« wiederholte er.
    »Zum Beispiel nicht dieselben Fehler zu begehen, die sie begangen haben. Nicht den Mut zu verlieren. Fahren Sie jetzt los.«
    Stefan wendete den Wagen und fuhr davon. Im Rückspiegel konnte er sehen, daß der Junge dastand und ihm nachsah. Er fuhr langsam zur Brücke zurück und dachte an das, was
    Wetterstedt gesagt hatte. Der alte Mann konnte als politischer Wirrkopf abgetan werden. Seine Ansichten waren nicht mehr gefährlich. Sie waren nur vage Erinnerungen an eine entsetzliche Zeit, die schon weit zurücklag. Er war ein alter Mann, der nie hatte verstehen wollen. Ebensowenig wie Herbert Molin und Elsa Berggren. Der Junge, der Magnus hieß, bedeutete dagegen etwas anderes. Er glaubte in vollem Ernst, daß der Nationalsozialismus immer noch lebendig war.
    Stefan kam an die Brückenauffahrt. Als er hinauffahren wollte, klingelte sein Handy.
    Er fuhr an den Straßenrand, schaltete die Warnblinkanlage ein und meldete sich.
    »Giuseppe hier. Bist du schon in Boras?«
    Stefan überlegte, ob er ihm von seinem Treffen mit Emil Wetterstedt erzählen sollte, entschied sich jedoch, bis auf weiteres nichts zu sagen.
    »Ich bin fast zu Hause. Das Wetter war so schlecht.«
    »Ich rufe dich an, um dir zu erzählen, daß wir den Hund gefunden haben.«
    »Wo denn?«
    »An einer Stelle, die wir uns nicht hatten vorstellen können.«
    »Wo?«
    »Rate mal.«
    Stefan versuchte zu denken, aber er hatte keine Ahnung. »Ich weiß es nicht.«
    »In Herbert Molins Hundezwinger.«
    »War er auch tot?«
    »Höchst lebendig, aber ausgehungert.«
    Giuseppe lachte fröhlich am anderen Ende der Leitung. »Erst holt jemand mitten in der Nacht Abraham Anderssons Hund, ohne daß unsere Polizisten etwas bemerken. Und dann bringt diese unbekannte Person den Hund in Molins Hundezwinger, aber ohne ihn anzuleinen. Was hältst du davon?«
    »Daß es jemanden in eurer unmittelbaren Nähe gibt, der etwas erzählen möchte.«
    »Genau. Die Frage ist nur, was. Der Hund ist eine Art Flaschenpost, die in den Wäldern umhertreibt. Eine Mitteilung,
    die was

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