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Die Rückkehr des Tanzlehrers

Die Rückkehr des Tanzlehrers

Titel: Die Rückkehr des Tanzlehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Widerwillen.
    »Eigentlich habe ich Herberts Vater gekannt. Ich war jünger als er, aber älter als Herbert.«
    »Axel Mattson-Herzen war Rittmeister?«
    »Ein feiner alter Titel, der in der Familie vererbt wurde. Einer seiner Vorfahren hat bei Narva gekämpft. Die Schweden haben die Schlacht zwar gewonnen, aber der Vorfahr ist gefallen. Es gab eine Familientradition um dieses Ereignis. Jedes Jahr feierte man den Jahrestag der Schlacht bei Narva. Ich erinnere mich an eine große Büste von Karl dem Zwölften auf einem Tisch. Es standen immer Blumen in einer Vase daneben. Daran kann ich mich noch erinnern.«
    »Sie waren nicht miteinander verwandt?«
    »Nein, aber ich hatte einen Bruder, mit dem es ebenfalls ein böses Ende genommen hat.«
    »Der Justizminister?«
    »Genau. Ich habe immer versucht, ihm davon abzuraten, sich mit Politik zu befassen. Besonders deswegen, weil seine Ansichten vollkommen abwegig waren.«
    »Er war Sozialdemokrat.«
    Wetterstedt sah Stefan starr in die Augen. »Ich sagte doch, daß seine Ansichten vollkommen abwegig waren. Sie wissen vielleicht, daß er von einem Verrückten getötet wurde. Man fand die Leiche unter einem Boot, irgendwo an einem Strand unten in der Nähe von Ystad. Ich habe ihn nie besucht. Wir hatten in den letzten zwanzig Jahren seines Lebens keinen Kontakt miteinander.«
    »Und es stand keine andere Büste dort auf dem Tisch? Neben der von Karl dem Zwölften?«
    »Wer hätte neben ihm stehen können?«
    »Hitler.«
    Der Junge fuhr zusammen. Er faßte sich sofort wieder, aber Stefan war es nicht entgangen.
    Wetterstedt dagegen blieb vollkommen ruhig. »Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?«
    »Herbert Molin hat im Zweiten Weltkrieg als Freiwilliger auf der Seite von Hitler gekämpft. Es ist uns zur Kenntnis gekommen, daß seine Familie aus überzeugten Nazis bestand. Stimmt das?«
    »Natürlich stimmt das.«
    Wetterstedts Antwort kam ohne jedes Zögern. »Ich bin auch überzeugter Nazi«, fuhr er fort. »Wir brauchen uns nicht zu verstellen oder uns etwas vorzuspielen, Herr Polizist. Wieviel wissen Sie über meine Vergangenheit?«
    »Nichts, außer daß Sie Porträtmaler waren und daß Sie Kontakt zu Herbert Molin hatten.«
    »Ich hatte große Zuneigung zu ihm. Er hat während des Krieges enormen Mut bewiesen. Damals haben alle vernünftigen Menschen auf Hitlers Seite gestanden. Wir hatten die Wahl: mit anzusehen, wie der Kommunismus siegreich voranschritt, oder Widerstand zu leisten. Wir hatten eine Regierung, auf die nur teilweise Verlaß war. Es war alles vorbereitet.«
    »Vorbereitet wofür?«
    »Eine deutsche Invasion.«
    Die Antwort kam von dem Jungen. Stefan sah ihn fragend an.
    »Es ist dennoch nicht alles vergebens gewesen«, fuhr Wet-terstedt fort. »Ich werde bald mein letztes Porträt gemalt haben und fort sein. Aber es existiert eine junge Generation, die den Zustand in Schweden, in Europa, in der Welt mit Vernunft betrachtet. Man kann sich darüber freuen, daß Osteuropa gefallen ist. Ein erbärmlicher Anblick, aber erfreulich. Dagegen ist der Zustand in Schweden schlimmer als je zuvor. Zerfall, wohin man auch sieht. Keine Disziplin. Landesgrenzen existieren nicht mehr. Jeder, der will, egal mit welchem Motiv, kann jederzeit, wo und wie er möchte, ins Land. Ich bezweifle, daß der schwedische Nationalcharakter noch zu retten ist. Es ist vermutlich schon zu spät. Aber dennoch ist es das, was man versuchen muß zu tun.«
    Wetterstedt hielt inne und sah Stefan mit einem Lächeln an. »Wie Sie sehen, stehe ich für meine Ansichten ein. Ich habe sie nie bereut und nie versucht, sie zu leugnen. Natürlich habe ich erlebt, daß Menschen mir den Gruß verweigert oder mich sogar angespuckt haben. Aber das sind unbedeutende Menschen gewesen. Solche wie mein Bruder. Und ich habe nie Probleme damit gehabt, Porträtaufträge zu bekommen. Eher im Gegenteil.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Daß es immer Menschen in diesem Land gegeben hat, die mich respektiert haben, weil ich mich zu meinen Ansichten bekannt habe. Menschen, die dachten wie wir, es aber aus verschiedenen Gründen vorzogen, ihre Ansichten nicht öffentlich bekanntzugeben. Manchmal habe ich sie verstehen können. Manchmal war es nur Feigheit. Aber ihre Porträts habe ich gemalt.«
    Wetterstedt machte Zeichen, daß er aus dem Sessel aufstehen wollte. Der Junge half ihm auf und reichte ihm einen Stock. Stefan fragte sich, wie Wetterstedt die Treppen des Hauses in Kalmar bewältigte.
    »Ich möchte Ihnen etwas

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