Die Rückkehr des Tanzlehrers
zeigen.«
Sie kamen in einen Flur mit Steinfliesen. Wetterstedt blieb plötzlich stehen und sah Stefan an. »Haben Sie gesagt, Sie heißen Lindman?«
»Stefan Lindman.«
»Wenn ich mich nicht sehr irre, sprechen Sie eine Form von Dialekt aus Västergötland.«
»Ich bin in Kinna, in der Nähe von Boras, geboren worden.«
Wetterstedt nickte nachdenklich und ging weiter. »Kinna habe ich nie besucht«, sagte er. »Durch Boras bin ich durchgefahren. Aber am wohlsten fühle ich mich hier auf Öland oder in Kalmar. Ich habe nie begriffen, warum die Menschen so viel reisen müssen.«
Wetterstedt stieß den Stock auf den Fußboden. Stefan dachte, daß er erst vor ein paar Tagen einen anderen alten Mann mit dem gleichen Widerwillen über das Reisen hatte sprechen hören. Björn Wigren. Sie gingen weiter und kamen in ein Zimmer, in dem keinerlei Möbel standen. An einer der Wände hing ein Wandteppich. Wetterstedt zog ihn mit seinem Stock zur Seite. Dahinter hingen drei Ölgemälde in vergoldeten ovalen Rahmen. Das mittlere stellte Hitler im Halbprofil dar. Links davon hing ein Porträt von Göring, rechts davon das einer Frau.
»Hier sehen Sie meine Götter«, sagte Wetterstedt. »Das Porträt von Hitler habe ich 1944 gemalt, als alle, sogar seine Generäle, angefangen hatten, ihm den Rücken zuzukehren. Es ist das einzige Porträt, das ich ausschließlich nach Fotografien gemalt habe.«
»Göring haben Sie also getroffen?«
»Sowohl in Schweden als auch in Berlin. In der Zeit zwischen den Kriegen war er ein paar Jahre mit einer Schwedin verheiratet, die Karin hieß. Ich habe ihn damals getroffen. Im Mai 1941 meldete sich die deutsche Botschaft in Stockholm bei mir. Göring wollte ein Porträt von sich malen lassen, und er wollte es von mir. Das war eine große Ehre. Ich hatte Karin gemalt, und er war mit dem Ergebnis zufrieden. Ich bin nach Berlin gefahren und habe sein Porträt gemalt. Er war sehr freundlich. Bei einer Gelegenheit hätte ich auch Hitler auf einem Empfang begegnen sollen, aber es kam etwas dazwischen. Das ist der größte Kummer meines Lebens. Ich bin so nah daran gewesen. Aber es ist nie dazu gekommen, daß ich seine Hand drücken konnte.«
»Und wer ist die Frau?«
»Meine Ehefrau. Theresa. Ich habe ihr Porträt in dem Jahr gemalt, in dem wir geheiratet haben, 1943. Wenn Sie ganz genau hinsehen, entdecken sie meine Liebe zu ihr in dem Bild. Die habe ich eingemalt. Wir hatten zehn gemeinsame Jahre. Dann ist sie an einer Herzmuskelentzündung gestorben. Wenn sie heutzutage daran erkrankt wäre, hätte sie überlebt.«
Wetterstedt nickte dem Jungen zu, der den Vorhang wieder zuzog.
Sie kehrten ins Atelier zurück.
»Jetzt wissen Sie, wer ich bin«, sagte Wetterstedt, als er sich in den Sessel gesetzt hatte und die Wolldecke wieder über seinen Beinen lag. Der Junge hatte seinen Posten neben ihm eingenommen.
»Sie müssen doch reagiert haben, als Sie erfuhren, daß Herbert Molin gestorben war. Ein pensionierter Polizeibeamter. Ermordet in den Wäldern Härjedalens. Sie müssen sich gefragt haben, was passiert war.«
»Ich habe gedacht, daß es ein Wahnsinniger gewesen ist. Einer von all diesen Kriminellen, die über unsere Grenzen hereinkommen und Verbrechen begehen, für die sie noch nicht einmal bestraft werden.«
Stefan begann der Kopf zu brummen von den Ansichten, die Wetterstedt zum Ausdruck brachte.
»Es war kein Wahnsinniger. Der Mord ist sorgfältig geplant worden.«
»Dann weiß ich es nicht.«
Die Antwort kam rasch und bestimmt. Ein bißchen zu schnell, dachte Stefan. Ein bißchen zu schnell und ein bißchen zu bestimmt. Er ging vorsichtig weiter. »Irgend etwas kann passiert sein. Es kann weit zurückliegen. Vielleicht hat er während des Krieges irgend etwas Besonderes mitgemacht.«
»Und was sollte das gewesen sein?«
»Das frage ich mich auch.«
»Herbert Molin ist Soldat gewesen, nichts anderes. Er hätte es mir erzählt, wenn etwas Besonderes passiert wäre. Aber das hat er nicht getan.«
»Haben Sie sich oft getroffen?«
»In den letzten dreißig Jahren haben wir uns überhaupt nicht getroffen. Wir standen in Briefkontakt. Er schrieb Briefe, und ich antwortete mit Postkarten. Ich habe Briefe nie gemocht. Weder welche zu bekommen noch welche zu schreiben.«
»Hat er einmal geäußert, daß er Angst hatte?«
Wetterstedt trommelte irritiert mit seinen schmalen Fingern auf die Sessellehne. »Natürlich hatte er Angst. Die gleiche Angst wie ich, angesichts dessen, was
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