Die Rückkehr des Tanzlehrers
Street Band hieß. Sie bestand aus Trommeln, Baß, Trompete, Klarinette, Posaune und dem Vater mit dem Banjo.
Sie hatten zu Hause also über Musik diskutiert. Nie über etwas anderes, das gefährlich gewesen wäre und dem Vater Anlaß zu seltenen, aber überaus heftigen Wutanfällen hätte geben können. Stefans Kindheit und Jugend war von der ständigen Angst vor den unberechenbaren Wutanfällen des Vaters geprägt.
Doch als sie nach Boras gefahren waren, um ein Fahrrad zu kaufen, hatte der Vater eine Ansicht zum Ausdruck gebracht, die nicht davon handelte, wie verwerflich es war, die gräßliche Popmusik zu hören. Es ging um Menschen und ihre Existenz. »Die sollten ausgerottet werden.« Die Erinnerung wuchs in seinem Bewußtsein, als er sich das Ereignis zu vergegenwärtigen suchte.
Das Erlebnis hatte auch einen Epilog.
Er sitzt vorn neben seinem Vater. Im Seitenspiegel kann er den Fahrradlenker sehen, der über das Wagendach hinausragt.
»Warum sollten Zigeuner ausgerottet werden?« fragt er.
»Das sind Menschen, die nichts taugen«, antwortet der
Vater. »Sie sind minderwertig. Sie sind nicht wie wir. Wenn wir unser Land nicht sauberhalten, wird alles verfallen.«
Er erinnerte sich deutlich an diese Worte. Aber es gab auch eine Erinnerung der eigentlichen Erinnerung. Er hatte eine Unruhe über das gespürt, was der Vater gesagt hatte. Nicht wegen des Schicksals, das Zigeuner erwartete, wenn sie nicht schlau genug waren, das Land zu verlassen. Die Unruhe betraf ihn selbst. Wenn sein Vater recht hatte, würde er dasselbe denken müssen. Daß Zigeuner ausgerottet werden müßten.
Danach erlosch das Erinnerungsbild. Vom Rest der Autofahrt war nichts übriggeblieben. Erst als sie nach Hause gekommen waren und seine Mutter auf den Hof trat, um das neue Fahrrad zu bewundern, setzte seine Erinnerung wieder ein.
Das Telefon klingelte. Er fuhr zusammen, legte das Album zur Seite und nahm ab.
»Olausson hier. Wie geht es dir?«
Er hatte mit Elena gerechnet. Sofort war er auf der Hut. »Ich weiß nicht, wie es mir geht. Ich warte ab.«
»Kannst du mal vorbeikommen? Meinst du, das schaffst du?«
»Worum geht es denn?«
»Eine Kleinigkeit. Wann kannst du hiersein?«
»In fünf Minuten.«
»Dann sagen wir in einer halben Stunde. Komm direkt zu mir hoch.«
Stefan legte den Hörer auf. Olausson hatte nicht gelacht. Kalmar hat mich schon eingeholt, dachte er. Die aufgebrochene Tür. Polizisten in Kalmar, die Fragen stellen. Ein anderer Polizist, ein Kollege aus Boras, ist auf unerwarteten Besuch gekommen. Weiß er etwas über den Einbruch? Wir rufen die Kollegen in Boras an und fragen mal nach.
So mußte es sein. Es war gegen zwei Uhr. Die Polizei in Kalmar hatte Zeit gehabt, die Wohnung zu untersuchen und mit Wetterstedt zu sprechen. Er merkte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Er war sich sicher, daß ihn niemand mit dem Einbruch in Verbindung bringen konnte. Aber er müßte bei Olausson sitzen, ohne etwas über den Inhalt in der braunen Ledermappe, die er in der Schreibtischschublade gefunden hatte, sagen zu können.
Das Telefon klingelte erneut. Diesmal war es Elena. »Ich dachte, du wolltest herkommen?«
»Ich habe noch ein paar Angelegenheiten zu erledigen. Dann komme ich.«
»Was denn für Angelegenheiten?«
Er hätte beinahe den Hörer auf die Gabel geworfen. »Ich muß kurz ins Büro. Wir reden später miteinander. Bis dann.«
Im Moment konnte er keine Fragen ertragen. Es würde schwer genug werden, vor Olausson zu sitzen und etwas zusammenzulügen, was wie die Wahrheit klang.
Er stellte sich ans Fenster und wiederholte seinen erfundenen Zeitplan vom vergangenen Tag. Dann nahm er seine Jacke und ging hinauf ins Präsidium.
Er blieb stehen und begrüßte die Mädchen in der Anmeldung. Keine fragte, wie es ihm ging. Das überzeugte ihn davon, daß mittlerweile alle im Präsidium wußten, daß er Krebs hatte. Corneliusson, der Wachhabende, kam auch heraus und begrüßte ihn. Keine Fragen, kein Krebs, nichts. Stefan nahm den Aufzug hinauf zu Olaussons Büro. Die Tür stand halb offen. Er klopfte. Olausson rief. Jedesmal wenn Stefan zu ihm hineinkam, war er gespannt zu sehen, welcher Schlips ihm wohl begegnen würde. Olausson war dafür bekannt, Schlipse mit seltsamen Motiven oder Farbkombinationen zu tragen. Heute war er jedoch ganz unverfänglich dunkelblau. Stefan setzte sich.
Olausson bekam einen Lachanfall. »Heute morgen haben wir einen Einbrecher geschnappt. Ich glaube, das ist der größte
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