Die Rückkehr des Tanzlehrers
aufmunternd zu klingen.
»Nun, wir werden sehen«, sagte sie müde und legte den Hörer auf.
Er schaltete sein Telefon aus und blieb im Dunkeln sitzen. Dann verließ er den Wagen und ging den Hügel hinunter zur Alleegata. Er stellte sich vor, daß der Tod so aussah. Ein einsamer nächtlicher Wanderer. Sonst nichts.
Er schlief unruhig und stand schon um sechs Uhr auf. Elena war sicher bereits wach. Er sollte sie anrufen, aber er konnte sich nicht dazu aufraffen. Nachdem er sich gezwungen hatte, ordentlich zu frühstücken, verließ er die Wohnung und holte den Wagen. Es wehte ein böiger Wind, und er fror. Er fuhr von Boras aus nach Süden. Als er nach Kinna kam, bog er von der Hauptstraße ab und fuhr ins Zentrum.
Vor dem Haus, in dem er aufgewachsen war, hielt er an. Er wußte, daß es jetzt von einer Keramikerin bewohnt wurde, die ihr Atelier in der ehemaligen Garage und Werkstatt seines Vaters eingerichtet hatte. Das Haus machte im Morgenlicht einen verlassenen Eindruck. Die Äste des Baums, an dem Stefan und seine Schwestern eine Schaukel gehabt hatten, schwankten im Wind.
Plötzlich war ihm, als könne er seinen Vater durch die Tür herauskommen sehen. Direkt auf ihn zu. Aber jetzt trug er nicht seinen gewohnten Anzug und den grauen Mantel, sondern die Uniform aus Elsa Berggrens Kleiderschrank.
Er fuhr wieder auf die Hauptstraße und hielt erst in Var-berg wieder an. In einem Lokal gegenüber vom Bahnhof trank er Kaffee und suchte im Telefonbuch die Nummer von Anna Jacobi. Die Adresse lag in einem Villenviertel gleich südlich der Stadt. Vielleicht sollte er zuerst anrufen. Aber dann konnte Anna Jacobi, oder wer auch immer sich meldete, sagen, der alte Anwalt wolle oder könne keinen Besuch empfangen. Nachdem er sich ein paarmal verfahren hatte, fand er die Adresse.
Das Haus sah aus, als sei es um die Jahrhundertwende gebaut worden, und unterschied sich von den modernen Villen in der Umgebung. Stefan öffnete das Gartentor und ging über einen Kiesweg zur Haustür, die unter einem Verandadach lag. Er zögerte, bevor er auf den Klingelknopf drückte. Was tue ich, dachte er. Was soll Jacobi mir eigentlich sagen können? Er ist der Freund meines Vaters gewesen. Zumindest hat es den Anschein gehabt. Was mein Vater eigentlich von Juden gehalten hat, kann ich nur ahnen - oder vielleicht vor allem fürchten. Aber sie gehörten beide zu der kleinen Gruppe wohlhabender Menschen, die damals in Kinna lebten. Für meinen Vater muß es am wichtigsten gewesen sein, dort Frieden zu halten. Was er im Innersten über Jacobi dachte, werde ich nie erfahren.
Er entschied sich dafür, von der Stiftung »Schwedens Wohl« auszugehen, die der Grund dafür gewesen war, daß der Vater ein Testament gemacht hatte. Danach hatte er schon einmal gefragt. Jetzt kam er damit zurück. Wenn es notwendig sein sollte, würde er sagen, daß es mit dem Tod Herbert Molins zu tun hätte. Ich habe schon Olausson in seinem Büro gegenübergesessen und ihm geradewegs ins Gesicht gelogen. Nichts kann dadurch schlimmer werden, daß ich noch einmal die Unwahrheit sage. Er klingelte.
Beim zweiten Klingeln wurde die Tür von einer Frau in den Vierzigern geöffnet. Sie sah ihn durch starke Brillengläser an, die ihre Pupillen vergrößerten. Er stellte sich vor und erklärte sein Anliegen.
»Mein Vater empfängt keinen Besuch«, antwortete sie. »Er ist alt und krank und möchte seine Ruhe haben.«
Stefan hörte aus dem Innern des Hauses klassische Musik.
»Mein Vater hört jeden Morgen Bach, falls Sie sich wundern. Heute hat er mich gebeten, das dritte Brandenburgische Konzert aufzulegen. Er sagt, die Musik von Bach sei das einzige, was ihn noch am Leben halte.«
»Ich habe ein wichtiges Anliegen.«
»Mein Vater hat schon vor langer Zeit alles hinter sich gelassen, was mit Arbeit zu tun hat.«
»Mein Anliegen ist persönlicher Natur. Er hat vor Jahren das Testament meines Vaters aufgesetzt. Ich habe damals bei der Testamentseröffnung mit ihm darüber gesprochen. Jetzt ist im Zusammenhang mit einem schwierigen Rechtsfall die Frage einer Schenkung erneut aufgetaucht. Aber ich will nicht verhehlen, daß die Beantwortung meiner Frage für mich persönlich von großer Bedeutung ist.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bezweifle nicht, daß Ihr Anliegen wichtig ist. Dennoch lautet die Antwort: Nein.«
»Ich verspreche, nicht mehr als ein paar Minuten zu bleiben.«
»Die Antwort ist immer noch nein. Es tut mir leid.«
Sie trat einen Schritt
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