Die Rückkehr des Tanzlehrers
Abrahams Auto war.«
»Warum?«
»Ich weiß es nicht, aber manchmal hat man Eingebungen. Geht Ihnen das nicht auch so?«
»Und was taten Sie dann?«
»Ich wollte gerade den Motor anlassen und fahren, als ich im Rückspiegel sah, wie jemand aus dem Haus kam. Es war eine Frau. Aber als sie bemerkte, daß ich noch da war, ging sie wieder hinein.«
Giuseppe ergriff die Plastiktüte mit dem Foto von Katrin Andersson. Er reichte es ihr. Sie ließ Asche auf das Bild fallen.
»Nein«, sagte sie, »das war sie nicht. Es war weit weg, und sich an jemanden zu erinnern, den man in einem Rückspiegel gesehen hat, ist auch nicht leicht, aber das war sie nicht.«
»Und wer könnte es Ihrer Meinung nach gewesen sein?«
Sie zögerte mit der Antwort. Giuseppe wiederholte seine Frage.
»Elsa Berggren. Aber ich kann es nicht mit Sicherheit sagen.«
»Warum nicht?«
»Es ging alles so schnell.«
»Sie hatten sie früher schon gesehen, und trotzdem konnten Sie sie nicht mit Sicherheit erkennen?«
»Ich sage es so, wie es ist. Es ging so schnell. Ich habe sie nur ein paar Sekunden gesehen. Sie kam raus, bemerkte den Wagen, fuhr zusammen und floh wieder ins Haus.«
»Sie wollte also nicht, daß jemand sie sah?«
Hanna Tunberg blickte ihn verwundert an. »Ist das so merkwürdig, wenn sie aus einem Haus kommt, in dem ein halbnackter Mann ist, mit dem sie nicht verheiratet ist?«
»Die Erinnerung funktioniert wie eine Kamera«, sagte Giuseppe. »Man sieht etwas, und das Bild bleibt im Innern des
Kopfes zurück. Um sich an etwas erinnern zu können, muß man es nicht lange gesehen haben.«
»Aber manche Fotos sind unscharf, oder?«
»Warum erzählen Sie es erst jetzt?«
»Es ist mir erst heute eingefallen. Mein Gedächtnis ist nicht mehr so gut. Aber ich dachte, daß es vielleicht wichtig sein könnte. Wenn es Elsa Berggren gewesen ist, dann hatte sie sowohl etwas mit Herbert als auch mit Abraham zu tun. Und wenn sie es nicht gewesen ist, war die Frau jedenfalls nicht seine Ehefrau.«
»Sie sind sich nicht sicher, daß es Elsa Berggren gewesen ist, aber Sie sind sich sicher, daß es nicht Katrin Andersson war?«
»Ja.«
Hanna Tunberg bekam einen weiteren Hustenanfall. Mit einer irritierten Bewegung drückte sie die Zigarette im Aschenbecher aus.
Dann rang sie schwer nach Atem, erhob sich halb vom Stuhl und stürzte vornüber auf den Tisch. Die Kaffeekanne fiel um. Giuseppe sprang auf, während Hanna Tunberg auf den Fußboden sackte.
Er drehte sie auf den Rücken. »Sie atmet nicht«, sagte Giuseppe. »Ruf einen Krankenwagen.«
Giuseppe gab ihr Mund-zu-Mund-Beatmung, während Stefan sein Handy herausholte.
Später sollte er sich an den Vorfall wie in Zeitlupe erinnern. Giuseppe, der versuchte, der Frau, die auf dem Boden lag, Leben einzuhauchen. Das dünne Rauchband, das von der Zigarette im Aschenbecher zur Decke aufstieg.
Es dauerte eine halbe Stunde, bis der Krankenwagen eintraf. Da hatte Giuseppe schon aufgegeben. Hanna Tunberg war tot. Er ging hinaus in die Küche und wusch sich den Mund. Stefan dachte, daß er schon oft tote Menschen gesehen hatte. Nach Verkehrsunfällen; Menschen, die Selbstmord begangen hatten oder ermordet worden waren. Aber es war ihm, als begriffe er erst jetzt, wie nah der Tod eigentlich überall war. Einen Augenblick zuvor hatte sie noch eine Zigarette in der Hand gehalten und eine Frage mit »Ja« beantwortet, im nächsten war sie tot.
Giuseppe ging hinaus auf den Hof und begrüßte die Leute im Krankenwagen.
»Es war eine Sache von Sekunden«, sagte er zu den Männern, die untersuchten, ob Hanna Tunberg wirklich tot war.
»Wir sollen eigentlich keine verstorbenen Personen im Krankenwagen befördern, aber wir können sie ja schlecht hier liegenlassen.«
»Zwei Polizisten sind Zeugen, daß sie eines natürlichen Todes gestorben ist. Ich werde dafür sorgen, daß ein Bericht angefertigt wird.«
Der Krankenwagen verschwand. Giuseppe sah Stefan an und schüttelte den Kopf. »Es ist nicht zu fassen, wie schnell es gehen kann. Obwohl man sich anderseits kaum einen besseren Tod wünschen kann.«
»Vorausgesetzt, er kommt nicht zu früh.«
Sie traten auf den Hof hinaus. Der Hund bellte. Es hatte begonnen zu regnen.
»Was hat sie gesagt? Daß ihr Mann rausgegangen ist?«
Stefan blickte sich um. Es stand kein Wagen auf dem Hof. Die Garagentüren waren offen. Die Garage war leer.
»Er ist wohl nur eine Runde gefahren.«
»Wir warten am besten. Wir können ja solange ins Haus
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