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Die Rückkehr des Tanzlehrers

Die Rückkehr des Tanzlehrers

Titel: Die Rückkehr des Tanzlehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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lange aufgehört, noch irgend etwas zu erwarten.«
    »Das klingt, als wären Sie nicht wirklich aufrichtig.«
    Sie gingen den Flur entlang. Sie schloß die Tür auf. Stefan stellte sich so dicht wie möglich neben sie, ohne sie zu berühren.
    Auf ihrem Schreibtisch stand ein Laptop mit leuchtendem Bildschirm.
    »Darin habe ich mein ganzes Leben«, sagte sie. »Ich stecke ihn in den Telefonanschluß und erreiche die ganze Welt. Während ich auf die Beerdigung warte, kann ich hier weiterarbeiten.«
    Sie goß ihm etwas aus einer Cognacflasche ein, die auf dem Tisch stand, nahm aber selbst nichts, sondern schlenzte die Schuhe von den Füßen und setzte sich aufs Bett. Stefan merkte, daß er angetrunken war. Er wollte sie anfassen. Sie ausziehen.
    Seine Gedanken wurden durch das Klingeln des Handys in seiner Tasche unterbrochen. Sicher war es Elena.
    Er meldete sich nicht. »Nur ein Kumpel«, sagte er. »Nichts, was nicht warten könnte.«
    »Haben Sie keine Familie?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Nicht einmal eine Freundin?«
    »Es ist vorbei.«
    Er stellte das Glas ab und streckte die Hand aus.
    Sie sah sie lange an, bevor sie sie ergriff. »Du kannst hier schlafen«, sagte sie, »aber erwarte nicht mehr, als daß ich neben dir liege.« »Ich habe schon gesagt, daß ich nichts erwarte.«
    Er setzte sich neben sie aufs Bett.
    »Es ist lange her, daß ich einen Menschen getroffen habe, der so viel erwartet wie du.«
    Sie stand auf. »Unterschätze nicht meine Fähigkeiten, Menschen zu durchschauen. Du kannst machen, was du willst«, sagte sie. »Geh in dein Zimmer und komm dann zurück, um hier zu schlafen. Sonst nichts.«
    Nachdem Stefan geduscht und sich in das größte Badehandtuch eingewickelt hatte, klingelte erneut sein Handy.
    Es war Elena. »Warum rufst du nicht an?«
    »Ich bin eingeschlafen. Mir geht es nicht gut.«
    »Komm nach Hause. Ich warte auf dich.«
    »In ein paar Tagen. Jetzt muß ich weiterschlafen. Wenn wir noch länger reden, werde ich wieder wach.«
    »Du fehlst mir.«
    »Du fehlst mir auch.«
    Das Gespräch war vorbei.
    Ich habe gelogen, dachte er. Und vor gar nicht langer Zeit habe ich Elena verleugnet.
    Aber am schlimmsten ist, daß es mir im Moment nicht das geringste ausmacht.
    Als Stefan am Morgen erwachte, war Veronica Molin fort. Der Bildschirm ihres Notebooks war erleuchtet, und er entdeckte eine Nachricht für sich.
    Bin ausgegangen. Sei weg, wenn ich zurückkomme. Ich mag Männer, die nicht schnarchen. Du bist einer von ihnen.
    In sein Badehandtuch gewickelt, verließ Stefan den Raum. Auf der Treppe zum Obergeschoß traf er das Zimmermädchen. Sie lächelte und sagte »Guten Morgen«. Als er in sein Zimmer kam, kroch er ins Bett. Ich bin betrunken gewesen, dachte er. Ich habe mit Elena gesprochen, aber ich erinnere mich nicht daran, was ich gesagt habe. Nur, daß ich gelogen habe. Er setzte sich im Bett auf und streckte sich nach seinem Handy. Er hatte eine Mitteilung. Elena hatte angerufen. Es versetzte ihm einen Stoß in die Magengrube. Er legte sich hin und zog die Decke über das Gesicht. Wie früher, als er ein Junge war. Um sich unsichtbar zu machen. Ob Giuseppe wohl das gleiche tat? Und Veronica Molin? Die im Bett gelegen hatte, als er am Abend gekommen war, jedoch mit Entschiedenheit alle Annäherungsversuche zurückgewiesen hatte. Ihm nur den Arm gestreichelt und gesagt hatte, daß sie schlafen sollten. Er war heftig erregt gewesen, hatte aber Verstand genug besessen, sie in Ruhe zu lassen.
    Er hatte Elena noch nie belogen. Jetzt hatte er es getan, und er war sich nicht sicher, ob es ihm etwas ausmachte.
    Er entschloß sich, bis neun Uhr im Bett zu bleiben. Dann würde er sie anrufen. Bis dahin würde er mit der Decke über dem Kopf daliegen und so tun, als existiere er nicht.
    Es wurde neun. Sie meldete sich sofort.
    »Ich habe geschlafen«, sagte er. »Ich habe mein Handy nicht gehört. Ich habe die ganze Nacht tief und fest geschlafen. Zum erstenmal seit langem.«
    »Irgend etwas hat mir Angst gemacht. Es war etwas, was ich geträumt habe. Ich weiß nicht mehr, was es gewesen ist.«
    »Es ist alles in Ordnung, aber ich bin unruhig. Die Tage vergehen schnell. Bald ist schon der neunzehnte.«
    »Es wird schon gutgehen.«
    »Ich habe Krebs, Elena. Wenn man Krebs hat, muß man immer damit rechnen, daß man sterben kann.«
    »Das hat die Ärztin aber nicht gesagt.«
    »Das kann sie doch nicht wissen. Es kann niemand wissen.«
    »Wann kommst du nach Hause?«
    »Bald. Ich gehe am

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