Die Rückkehr des Tanzlehrers
befindest. Im Computer hab ich mein ganzes Leben, hast du gesagt.«
Sie setzte sich an den Laptop und bedeutete ihm, seinen Stuhl näher heranzuziehen. »Ich werde dich mit auf eine Reise nehmen«, sagte sie. »Ins Cyberspace. Den Ausdruck wirst du ja schon mal gehört haben.«
Sie drückte auf eine Taste. Der Computer ließ ein schwaches Pfeifen hören. Der Bildschirm leuchtete auf. Sie drückte weiter auf die Tasten. Verschiedene Bild- und Testfelder flimmerten vorüber, bis sich der Bildschirm rot färbte. Das schwarze Hakenkreuz trat langsam hervor.
»Genau wie in der Wirklichkeit, gibt es in diesem weltumspannenden Netz eine Unterwelt. Dort kannst du alles nur Mögliche finden.«
Sie gab über die Tasten ein paar Befehle ein. Das Hakenkreuz verschwand. Statt dessen starrte Stefan auf ein paar halbnackte asiatische kleine Mädchen. Sie klickte das Bild fort, und es wurde von Bildern des Petersdoms in Rom ersetzt. »Hier gibt es alles«, sagte sie. »Ein wunderbares Werkzeug. Man kann Informationen suchen, wo man sich auch aufhält. Gerade jetzt, in diesem Augenblick, befindet sich Sveg mitten in der Welt. Aber es gibt also eine Unterwelt. Unendliche Mengen von Informationen darüber, wo man Waffen kaufen kann, Drogen, pornographische Bilder von kleinen Kindern. Wirklich alles.«
Sie gab neue Befehle ein. Das Hakenkreuz kehrte zurück. »Auch das hier. Viele nazistische Organisationen, darunter mehrere schwedische, veröffentlichen ihre Ansichten auf meinem Bildschirm. Ich habe hier gesessen und versucht, etwas zu verstehen. Ich war dabei, nach den Menschen zu suchen, die sich heutzutage als Nazis organisieren. Wie viele sind es? Wie heißen ihre Organisationen? Wie denken sie?«
Sie gab einen neuen Befehl ein. Ein Bild von Hitler. Ihre Finger tanzten über die Tasten. Jetzt war sie plötzlich selbst im Bild. >Veronica Molin. Maklerin<.
Sie schaltete den Computer ab. Der Bildschirm erlosch. »Ich möchte, daß du jetzt gehst«, sagte sie. »Du hast dich entschieden, eine Schlußfolgerung aus einem Bild zu ziehen, das du entdeckt hast, als du heimlich durch mein Fenster geschaut hast. Du bist vielleicht immer noch dumm genug zu glauben, daß ich hier gesessen und das Hakenkreuz verherrlicht habe. Ob du ein Idiot bist, entscheidest du selbst. Jetzt möchte ich, daß du gehst. Wir haben einander nichts mehr zu sagen.«
Stefan wußte nicht, was er antworten sollte. Sie war empört. Überzeugend. »Wenn die Situation umgekehrt gewesen wäre«, sagte er, »wie hättest du dann reagiert?«
»Ich hätte dich gefragt. Nicht sofort behauptet, daß du lügst.«
Sie stand plötzlich auf und öffnete die Tür. »Ich kann dich nicht daran hindern, zur Beerdigung meines Vaters zu kommen«, sagte sie. »Aber ich brauche dort nicht mit dir zu reden oder dir die Hand zu geben.«
Sie schob Stefan in den Korridor und knallte die Tür zu. Er kehrte zur Rezeption zurück. Die Kartenspieler von vorhin
waren verschwunden. Dann ging er zu seinem Zimmer hinauf und fragte sich, warum er so reagiert hatte.
Die Rettung kam in Form eines Telefonsignals in seiner Jackentasche.
Es war Giuseppe. »Ich hoffe, du hast nicht geschlafen?«
»Eher das Gegenteil.«
»Hellwach?«
»So wach, wie es überhaupt geht.«
Dann fand er, daß er genausogut erzählen konnte, was geschehen war.
Giuseppe lachte, als er ans Ende gekommen war. »Es ist gefährlich, in die Schlafzimmer von Frauen zu gucken«, sagte er. »Man weiß nie, was man zu sehen bekommt.«
»Ich hab mich wie ein Idiot benommen.«
»Das tun wir doch alle mal. Vielleicht nicht gleichzeitig, aber jeder benimmt sich irgendwann daneben.«
»Wußtest du, daß man alle nazistischen Organisationen der Welt im Internet finden kann?«
»Wahrscheinlich nicht alle. Was für ein Wort hat sie benutzt? Unterwelt? Sicher gibt es auch da unterschiedliche Räume, und ich vermute, daß die richtig gefährlichen Organisationen sich nicht mit ihren Namen und Adressen im Internet präsentieren.«
»Du meinst also, daß man immer nur an der Oberfläche kratzen kann?«
»Ja, ungefähr so.«
Stefan mußte plötzlich heftig niesen. Einmal. Zweimal.
»Ich hoffe, es war nicht ich, der dich angesteckt hat.«
»Was macht dein Hals?«
»Leichtes Fieber. Die linke Seite ist etwas geschwollen. Menschen, die so viel Elend ansehen müssen wie wir, werden oft zu Hypochondern.«
»Mir reicht die Wirklichkeit vollauf.«
»Ich weiß. Jetzt war ich es, der sich dumm benommen hat.«
»Warum hast du
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