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Die Rückkehr des Tanzlehrers

Die Rückkehr des Tanzlehrers

Titel: Die Rückkehr des Tanzlehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Hofplatz und hielt. Die Absperrbänder der Polizei waren noch da, aber sonst schien alles verlassen. Er stieg aus.
    Im Wald war es windstill. Er blickte sich um. Aus dem Haus am Brämhultsväg in Boras war Herbert Molin hierhergezogen. An einen Ort mitten im Wald. Und hierhin war jemand gekommen, um ihn zu töten. Stefan betrachtete das Haus. Die zerschossenen Fenster. Er ging zur Haustür und drückte dagegen. Sie war verschlossen. Er ging ums Haus herum. Alle Fenster waren zerstört. Wasser glitzerte zwischen den Bäumen. Er ging zum Nebengebäude und faßte die Tür an. Sie war offen. Im dunklen Inneren nahm er den Geruch von Kartoffeln wahr und registrierte eine Schubkarre und Gartengeräte. Er ging wieder hinaus.
    Einsamkeit, dachte er. Hier ist Herbert Molin einsam gewesen. Das muß es gewesen sein, was er gesucht hat. Das hat er schon in seiner Zeit in Boras getan. Jetzt verstehe ich es. Er wollte allein sein. Das hat ihn hierhergetrieben.
    Er fragte sich, wie Herbert Molin an dieses Haus gekommen war. Von wem hatte er es gekauft? Und warum gerade hier? Tief in den Wäldern von Härjedalen?
    Er ging zu einem der Fenster an der Schmalseite. An der Hauswand stand ein Tretschlitten. Er stellte ihn so hin, daß er draufsteigen und das kaputte Fenster von der Innenseite öffnen konnte. Er wischte vorsichtig Glassplitter fort und kletterte dann ins Haus. Es riecht immer irgendwie speziell, wenn Polizisten dagewesen sind, dachte er. Alle Berufsgruppen hinterlassen Geruchsspuren. Das gilt auch für uns.
    Er befand sich in einem kleinen Schlafzimmer. Das Bett war gemacht. Es waren Flecken von eingetrocknetem Blut darauf.
    Auch wenn die technische Untersuchung des Tatorts bereits abgeschlossen war, wollte er nichts anfassen. Er wollte exakt das gleiche sehen wie die Spurensicherer. Wo sie aufgehört hatten, würde er anfangen.
    Aber womit wollte er anfangen? Was glaubte er eigentlich entdecken zu können? Er redete sich ein, daß er sich als Privatperson in Herbert Molins Haus befand. Nicht als Polizeibeamter oder privater Ermittler. Lediglich als ein Mensch, der Krebs hatte und der an etwas anderes denken wollte als an seine Krankheit.
    Er ging ins Wohnzimmer. Die Möbel waren umgestürzt. An den Wänden und auf dem Fußboden waren Blutflecken. Erst jetzt wurde ihm vollends bewußt, wie grauenhaft Herbert Molins Tod gewesen sein mußte. Er war nicht niedergestochen oder erschossen worden und liegengeblieben, wo er getroffen worden war. Er war einem brutalen Angriff ausgesetzt gewesen. Alles deutete darauf hin, daß er gejagt worden war und sich gewehrt hatte.
    Stefan ging vorsichtig durchs Zimmer. Blieb beim CD-Spieler, der offenstand, stehen. Es war keine CD eingelegt, aber daneben lag eine geöffnete Hülle. Argentinischer Tango. Stefan ging weiter. Herbert Molin hat ohne unnötigen Kram gelebt, dachte er. Keine Bilder, keine Vasen. Auch keine Fotos von seiner Familie.
    Ihm kam ein Gedanke. Er ging zurück ins Schlafzimmer und öffnete den Kleiderschrank. Unter den Sachen, die dort hingen, fand er keine Uniform. Also hatte Molin sich ihrer entledigt. Es war ansonsten üblich, daß pensionierte Polizeibeamte ihre Uniformen aufbewahrten.
    Er ging zurück ins Wohnzimmer und von dort in die Küche. Die ganze Zeit versuchte er, sich Herbert Molin an seiner Seite vorzustellen. Ein einsamer Mann von über fünfundsiebzig Jahren, der am Morgen aufsteht, Essen macht, den Tag vergehen läßt.
    Menschen tun immer etwas, dachte er. Das muß auch für Herbert Molin gegolten haben. Kein Mensch sitzt ausschließlich reglos auf einem Stuhl. Selbst der passivste Mensch tut et was. Aber was hatte Herbert Molin getan? Wozu hatte er seine Tage genutzt? Stefan kehrte ins Wohnzimmer zurück und beugte sich zum Fußboden hinunter. Vor ihm, direkt neben einer der blutigen Fußspuren, lag ein Puzzleteil. Über den gesamten Fußboden verstreut lagen Puzzleteile. Stefan erhob sich und merkte, wie es durch seinen Rücken zuckte. Die Krankheit, dachte er. Oder konnte es nur daran gelegen haben, daß er während der Nacht im Auto unbequem gelegen hatte? Er wartete, bis der Schmerz vorüber war.
    Dann trat er an das große Bücherregal, auf dem der CD-Spieler stand. Er beugte sich erneut hinunter und öffnete einen Schrank. Er war voller Schachteln, die er zunächst für Spiele hielt. Als er die oberste Schachtel herausnahm, entdeckte er, daß sie Puzzleteile enthielt. Er betrachtete die Abbildung auf dem Karton. Es war ein Gemälde von einem

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