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Die Rückkehr des Tanzlehrers

Die Rückkehr des Tanzlehrers

Titel: Die Rückkehr des Tanzlehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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überhaupt nicht guttat, allein zu sein? Es kam ihm vor, als verstehe er sich immer weniger. Und alles nur wegen eines verdammten Knubbels im Mund.
    Er hob die Tüte mit den Weinflaschen auf und ging zum Hotel. Das Mädchen in der Rezeption goß Blumen.
    »Haben Sie alles, was Sie brauchen?« fragte sie.
    »Alles in Ordnung«, antwortete er.
    Sie reichte ihm seinen Schlüssel, ohne die Gießkanne abzusetzen. »Stellen Sie sich vor, daß es schon anfängt, grau zu werden«, sagte sie. »Im Oktober. Und das Schlimmste liegt noch vor uns. Der ganze beschissene, eklige Winter.«
    Sie wandte sich wieder ihren Blumen zu. Stefan ging auf sein Zimmer. Sein Koffer war so, wie er ihn verlassen hatte. Er stellte die Tüte auf den Tisch. Es war ein paar Minuten nach drei. Es ist zu früh, dachte er. Ich kann mich nicht hinsetzen und mitten am Tag Wein trinken.
    Er stand unbeweglich da und schaute zum Fenster hinaus. Dann faßte er einen Entschluß. Er hatte noch Zeit, bis zum See hinauszufahren, wo er die Spuren des Zeltplatzes gefunden hatte. Doch diesmal würde er auf die andere Seite fahren. Zu den Forstwegen, von denen Giuseppe gesprochen hatte. Er rechnete nicht damit, etwas zu finden. Aber die Zeit würde wenigstens vergehen.
    Er brauchte eine gute Stunde, um den richtigen Weg zu einem der Forstwege zu finden. Auf der Karte las er, daß der See Stäng-vattnet hieß. Er war langgestreckt. An seiner breitesten Stelle endete der Forstweg direkt am Seeufer auf einem Wendeplatz. Stefan stieg aus dem Wagen und ging zum Wasser hinunter. Die Dämmerung hatte eingesetzt. Er stand still und lauschte. Es war nichts zu hören außer dem schwachen Rauschen der Bäume. Er versuchte, sich daran zu erinnern, ob er in dem Ermittlung smaterial aus Östersund etwas darüber gelesen hatte, wie das Wetter an dem Tag gewesen war, an dem Herbert Molin ermordet wurde. Aber er hatte nichts darüber gelesen. Er dachte, daß man die Geräusche der Schüsse auch bei starkem Gegenwind über den See hatte hören müssen.
    Aber was sprach eigentlich dafür, daß sich jemand am Tag des Mordes hier befunden hatte?
    Nichts. Absolut nichts.
    Er blieb am Ufer stehen, bis es dunkel wurde. Ab und an fuhren Windstöße über das Wasser. Dann war es wieder still. Er dachte, daß er sich eigentlich noch nie in seinem Leben allein in einem Wald aufgehalten hatte. Abgesehen von damals, als er mit Molin den entflohenen Mörder gesucht und die Angst seines Kollegen bemerkt hatte.
    Warum ist Herbert Molin hierhergezogen, fragte er sich erneut. Weil er einen Zufluchtsort haben wollte? Eine Höhle, in die er sich verkriechen konnte? Oder steckt etwas anderes dahinter?
    Er dachte an das, was Björn Wigren gesagt hatte. Daß Elsa Berggren nie Besuch bekam. Das bedeutete ja nicht, daß sie ihrerseits nie jemanden besuchte.
    Zwei Dinge hätte er Björn Wigren fragen sollen, wenn er daran gedacht hätte.
    Pflegte Elsa Berggren abends auszugehen? Tanzte sie gern?
    Wenn man im richtigen Augenblick die richtigen Fragen stellte, konnte man viele Antworten auf einmal erhalten.
    Ihm fiel plötzlich ein, daß es Molin gewesen war, der ihn diese einfache Polizeiwahrheit gelehrt hatte.
    Es raschelte hinter ihm. Er zuckte zusammen. Dann war es wieder still. Ein Zweig, den der Wind geknickt hat, dachte er. Oder ein Tier.
    Plötzlich vermochte er nicht mehr an Herbert Molin oder Elsa Berggren zu denken. Es war sinnlos. Von morgen an würde er seine Kräfte darauf konzentrieren, zu verstehen, was mit ihm selbst geschah. Er würde Härjedalen verlassen. Er hatte hier nichts zu suchen. Giuseppe Larsson würde es gelingen, das Gewebe zu durchdringen und sich zu einem Motiv und einem Täter durchzuarbeiten. Er selbst würde seine Energie darauf verwenden, sich auf die Strahlenbehandlung vorzubereiten.
    Er blieb noch eine Weile in der Dunkelheit stehen. Die Bäume umgaben ihn wie schützende Soldaten. Das schwarze Wasser war der Wallgraben. Einen Augenblick lang fühlte er sich unverwundbar.
    Nach der Rückkehr nach Sveg ruhte er sich eine Stunde in seinem Zimmer aus, trank ein paar Glas Wein und ging um sieben Uhr hinunter in den Speisesaal. Die Testfahrer waren verschwunden. Das Mädchen aus der Rezeption hatte wieder die Servierschürze umgebunden. Sie spielt alle Rollen, dachte er. Vielleicht trägt sich das Hotel nur so.
    Er setzte sich an denselben Tisch wie an den vergangenen Abenden. Als er die Speisekarte las, stellte er zu seiner Enttäuschung fest, daß sie unverändert war. Er

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