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Die Rückkehr des Tanzlehrers

Die Rückkehr des Tanzlehrers

Titel: Die Rückkehr des Tanzlehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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waren, ging die Reise weiter nach Alingsas. Sie werden sich kaum an etwas von dem erinnern, was in Stockholm geschehen ist. Ein zweijähriges Kind hat keine bewußten Erinnerungen. Aber eins frage ich mich. Was hat er dort gemacht?«
    »Er hatte ein Musikgeschäft.«
    Sie sah, daß er verblüfft war.
    »Ich erinnere mich, wie Sie sagen, an nichts von all dem. Ich habe später davon gehört. Er hat den Versuch unternommen, ein Geschäft zu führen und in Solna eins eröffnet. Die ersten Jahre ging alles gut. Doch dann hat er einen weiteren Laden in Sollentuna aufgemacht, und von da an ging alles ziemlich schnell den Bach runter. Meine ersten Erinnerungen stammen aus Alingsas. Wir haben in einem alten Haus außerhalb der Stadt gewohnt, das im Winter nie richtig warm zu kriegen war.«
    Sie machte eine Pause und zündete eine neue Zigarette an. »Jetzt würde ich gern wissen, warum Sie das interessiert.«
    »Ihr Vater ist tot. Da werden alle Fragen wichtig.«
    »Meinen Sie, es hat ihn jemand getötet, weil er einmal ein Musikgeschäft gehabt hat?«
    Stefan antwortete nicht. Statt dessen ging er zur nächsten Frage über. »Warum hat er seinen Namen geändert?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Warum ändert man seinen Namen von Herzen in Molin?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Plötzlich hatte Stefan das Gefühl, daß er vorsichtig sein mußte. Woher die Eingebung kam, konnte er nicht sagen, aber das Gefühl war da. Er stellte Fragen, und sie antwortete. Gleichzeitig lief etwas völlig anderes ab.
    Veronica Molin war dabei, herauszufinden, wieviel er eigentlich über ihren Vater wußte.
    Er hob die Kaffeekanne und fragte, ob er ihr nachschenken dürfe. Sie lehnte ab.
    »Als wir zusammen gearbeitet haben, hatte ich das Gefühl, daß ihr Vater unruhig war. Daß er Angst hatte. Ich kann mich noch gut daran erinnern, obwohl zehn Jahre vergangen sind, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben.«
    Sie runzelte die Stirn. »Wovor sollte er Angst gehabt haben?«
    »Ich weiß es nicht. Ich frage Sie.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Mein Vater war kein Mensch, der Angst hatte. Im Gegenteil. Er war mutig.«
    »Auf welche Weise?«
    »Er hatte nie Angst, einzugreifen. Er hatte keine Angst, zu sagen, was er dachte.«
    Ihr Handy klingelte.
    Das Gespräch wurde in einer fremden Sprache geführt. Stefan war sich nicht sicher, ob auf Spanisch oder Französisch. Als sie geendet hatte, rief sie das Mädchen aus der Rezeption zu sich und bat um die Rechnung.
    »Sind Sie draußen beim Haus gewesen?« fragte Stefan.
    Sie sah ihn lange an, bevor sie antwortete. »Ich habe meinen Vater in guter Erinnerung. Wir standen einander nie besonders nahe, aber ich habe lange genug gelebt, um zu wissen, wie es Kindern im Verhältnis mit ihren Eltern ergehen kann. Ich will das Bild, das ich von ihm habe, nicht dadurch zerstören, daß ich mir den Ort ansehe, an dem er ermordet wurde.«
    Stefan verstand. Zumindest glaubte er, es zu tun.
    »Ihr Vater muß gern getanzt haben«, sagte er.
    »Wie kommen Sie darauf?«
    Ihre Verwunderung wirkte echt.
    »Das hat jemand gesagt«, antwortete Stefan ausweichend.
    Das Mädchen aus der Rezeption kam mit zwei Rechnungen. Stefan versuchte, beide zu nehmen, aber sie zog ihre zu sich heran. »Ich bezahle lieber für mich selbst.«
    Das Mädchen verschwand, um Wechselgeld zu holen.
    »Was macht eine Beraterin in der Computerbranche?« fragte Stefan.
    Sie lächelte, ohne zu antworten.
    Sie trennten sich in der Rezeption. Sie wohnte im Untergeschoß.
    »Wie kommen Sie nach Östersund?« fragte er.
    »Sveg ist zwar nicht groß«, erwiderte sie, »aber es war trotzdem möglich, einen Wagen zu mieten. Vielen Dank für die Gesellschaft.«
    Er sah ihr nach, als sie ging. Ihre Kleidung wirkte sehr teuer. Das Gespräch mit Veronica Molin hatte ihm etwas von seiner Energie zurückgegeben. Er fragte sich, wie er sie nutzen sollte. Ironisch dachte er, daß das Nachtleben in Sveg wahrscheinlich vor allem durch Nichtvorhandensein glänzte.
    Stefan entschied sich für einen Spaziergang. Was Björn Wigren ihm erzählt hatte, beschäftigte ihn. Zwischen Elsa Berggren und Herbert Molin bestand eine Verbindung, über die er mehr erfahren wollte.
    Die Gardine hatte sich bewegt, da war er sicher.
    Er holte seine Jacke und verließ das Hotel.
    Es war kühl geworden.
    Er ging den gleichen Weg wie schon einmal an diesem Tag. Blieb auf der Brücke stehen. Hörte, wie das Wasser unter ihm strömte. Er traf einen Mann, der mit seinem Hund Gassi ging. Es war,

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