Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rückkehr des Tanzlehrers

Die Rückkehr des Tanzlehrers

Titel: Die Rückkehr des Tanzlehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
verstehen kann.«
    Sie nickte. »Niemand kann irgendeinen Grund gehabt haben, meinen Vater zu ermorden. Er hatte keine Feinde, er war nicht reich.«
    Aber er hatte Angst, dachte Stefan. Und diese Angst war vielleicht der Ausgangspunkt für das, was passiert ist.
    Ihr Essen kam. Stefan hatte das unbestimmte Gefühl, der Frau ihm gegenüber unterlegen zu sein. Sie hatte eine Sicherheit, die ihm fehlte.
    »Ich habe es so verstanden, daß Sie einmal mit ihm zusammen gearbeitet haben?«
    »In Boras. Ich bin dort als frischgebackener junger Polizist hingekommen. Ihr Vater hat mir geholfen, mich zurechtzufinden. Er hat eine Lücke hinterlassen, als er in Pension ging.«
    Es hört sich an, als seien wir enge Freunde gewesen, dachte er rasch. Das stimmte nicht. Wir sind nie Freunde gewesen. Wir waren Kollegen. »Ich habe mich natürlich gefragt, warum er hierher nach Härjedalen ziehen wollte«, sagte er nach einer Weile.
    Sie durchschaute ihn sofort. »Ich glaube nicht, daß er irgend jemandem erzählt hat, wohin er ziehen wollte.«
    »Vielleicht erinnere ich mich nicht genau, aber ich bin natürlich neugierig. Warum ist er denn hierhergezogen?«
    »Weil er seine Ruhe haben wollte. Mein Vater war ein Eigenbrötler. Das bin ich auch.«
    Was sagt man nach einer solchen Äußerung, dachte Stefan. Sie hat nicht nur eine Antwort gegeben, sie hat auch das Gespräch beendet. Warum setzt sie sich an meinen Tisch, wenn sie nicht mit mir reden will?
    Er merkte, daß er wütend wurde. »Ich habe nichts mit der Ermittlung zu tun«, sagte er. »Ich bin hergefahren, weil ich Urlaub habe.«
    Sie legte die Gabel hin und sah ihn an. »Und um was zu tun?«
    »Um zur Beerdigung zu gehen. Falls sie hier stattfindet, und wenn die Gerichtsmediziner die Leiche freigeben.«
    Sie glaubte ihm nicht. Das konnte er sehen. Es vermehrte seinen Zorn. »Hatten Sie oft Kontakt zu ihm?«
    »Sehr selten. Ich arbeite als Beraterin für eine Computerfirma mit Kunden in der ganzen Welt. Ich bin ständig unterwegs. Ich habe ein paarmal im Jahr eine Ansichtskarte geschickt, vielleicht zu Weihnachten angerufen, aber mehr auch nicht.«
    »Das hört sich nicht so an, als hätten sie sich besonders gut verstanden.«
    Er sah sie unverwandt an. Auch wenn er sie immer noch sehr schön fand, strahlte sie doch Kühle und Distanz aus. »Was für ein Verhältnis mein Vater und ich hatten, geht sonst wohl niemand etwas an. Er wollte seine Ruhe haben, das habe ich respektiert. Und er respektierte, daß ich genauso bin.«
    »Sie haben auch einen Bruder.«
    Ihre Antwort war offenherzig und bestimmt. »Wir vermeiden es, miteinander zu sprechen, wenn es nicht absolut notwendig ist. Die beste Art, unsere Beziehung zu beschreiben, ist zu sagen, daß wir uns an der Grenze offener Feindschaft bewegen. Warum das so ist, geht niemand etwas an. Ich habe Kontakt zu einem Beerdigungsinstitut aufgenommen, das sich um alles kümmern wird. Mein Vater wird hier in Sveg begraben.«
    Das Gespräch stockte.
    Stefan fuhr sich mit der Zunge über die Zähne. Der Knoten war noch da.
    Nach dem Essen tranken sie Kaffee. Sie fragte, ob es ihn stören würde, wenn sie rauchte. Als er verneinte, zündete sie sich eine Zigarette an und blies ein paar Rauchringe zur Decke hinauf.
    Dann sah sie ihn plötzlich an. »Warum sind Sie eigentlich wirklich hergekommen?«
    Stefan sagte ihr einen Teil der Wahrheit. »Ich bin krankgeschrieben. Ich hatte nichts anderes zu tun. Mein Besuch hier bedeutet nichts.«
    »Der Polizeibeamte in Östersund sagte, daß Sie sich für die Ermittlung eingesetzt hätten.«
    »Man ist immer empört, wenn ein Kollege ermordet wird. Ich habe mit einigen Menschen gesprochen. Das ist alles.«
    »Mit wem zum Beispiel?«
    »In erster Linie mit dem Polizeibeamten, den Sie morgen in Östersund treffen werden. Giuseppe Larsson. Außerdem mit Abraham Andersson.«
    »Wer ist das?«
    »Herberts nächster Nachbar. Auch wenn er ziemlich weit entfernt wohnt.«
    »Hatte er irgend etwas zu erzählen?«
    »Nein. Aber wenn überhaupt jemand irgendwelche Beobachtungen gemacht haben kann, dann müßte er das sein. Sie können ja mit ihm sprechen, wenn Sie wollen.«
    Sie machte die Zigarette aus und zerdrückte den Stummel, als sei es ein Insekt.
    »Ihr Vater hat einmal seinen Namen geändert«, sagte Stefan langsam. »Von Mattson-Herzen in Molin. Das war ein paar Jahre vor Ihrer Geburt. Fast zeitgleich hat er seinen Abschied beim Militär genommen und ist nach Stockholm gezogen. Als Sie zwei Jahre alt

Weitere Kostenlose Bücher