Die Rückkehr des Tanzlehrers
erinnert, dachte er. Beide kommen von irgendwoher und leben ihr Leben in Einsamkeit. Die Frage ist, ob das, was ich von Herbert Molin glaube, nämlich daß er sich vor etwas versteckt hat, auch für Elsa Berggren gilt. Sie war es, die das Haus für ihn gekauft hat. Aber warum? Unter welchen Umständen haben sie sich kennengelernt? Gibt es noch andere Gemeinsamkeiten?
Die nächste Frage ergab sich wie von selbst. »Bekommt sie denn nie Besuch?«
»Nie.«
»Das ist nicht normal.«
»Das ist es vielleicht wirklich nicht. Aber es hat niemand von uns jemals einen Menschen in ihr Haus gehen sehen. Auch nicht herauskommen.«
Stefan beschloß, daß Gespräch zu beenden. Er blickte auf die Uhr. »Ich glaube, ich muß jetzt aufbrechen«, sagte er. »Vielen Dank für den Kaffee.«
Sie standen auf und verließen die Küche. Wigren wies auf den Vierzehnender an der Wand im Wohnzimmer. »Den habe ich geschossen, als ich noch zu einer Jagdgesellschaft in der Gegend von Lillhärdal gehörte.«
»War der groß?«
Björn Wigren lachte auf. »Der größte, den ich je gesehen habe. Sonst würde er auch kaum dort an der Wand hängen.
Wenn ich sterbe, landet er auf dem Müll. Keines meiner Kinder will ihn haben.«
Björn Wigren begleitete ihn hinaus. »Zur Nacht hin kann es Schnee geben«, meinte er, nachdem er einen Blick auf den Himmel geworfen hatte.
Dann sah er Stefan an.
»Ich weiß nicht, warum Sie all das über Elsa wissen wollten, und ich werde auch nicht danach fragen. Aber vielleicht kommen Sie eines Tages wieder hier in meine Küche und erzählen es mir.«
Stefan nickte. Er hatte recht daran getan, Björn Wigren nicht zu unterschätzen.
»Viel Glück mit Ihrem Krebs«, wünschte ihm der Mann zum Abschied. »Ich meine, viel Glück damit, daß Sie gesund werden.«
Stefan ging denselben Weg zurück, den er gekommen war. Es stand immer noch kein Wagen auf Elsa Berggrens Grundstück. Die Garage war leer. Er warf einen Blick auf die Fenster. Die Gardinen bewegten sich nicht. Als er auf die Brücke hinauskam, blieb er stehen und blickte ins Wasser. Seine Angst vor der Krankheit kam und ging in Wellen. Er konnte die Gedanken an das, was ihn erwartete, nicht länger wegschieben. In der Randzone des Mordes an Herbert Molin umherzustreifen war eine Therapie mit begrenzter Wirkung.
Er ging weiter Richtung Zentrum und suchte die Bibliothek, die im Bürgerhaus untergebracht war. Im Foyer stand ein ausgestopfter Bär und starrte ihn an. Er bekam plötzlich Lust, sich auf den Bären zu stürzen und seine Kräfte mit ihm zu messen. Der Gedanke ließ ihn auflachen. Ein Mann mit Papieren in den Händen, der an ihm vorbeikam, sah ihn neugierig an.
Stefan ging in die Bibliothek und suchte die medizinische Abteilung. Doch als er sich mit einem Buch über verschiedene Krebserkrankungen an einen Tisch gesetzt hatte, vermochte er es nicht aufzuschlagen. Es ist zu früh, dachte er. Noch einen Tag, aber nicht mehr, dann werde ich die Situation in Angriff nehmen und sie nicht länger unter meinen sinnlosen Nachforschungen nach den Ursachen von Herbert Molins Tod begraben. Er stellte das Buch zurück.
Als er aus dem Bürgerhaus hinauskam, war er unentschlossen. Ärgerlich machte er sich auf den Rückweg zum Hotel. Unterwegs wollte er beim Systembolag haltmachen. Die Ärztin hatte ihm keine Beschränkungen auferlegt. Sicherlich war das Trinken nicht gerade eine Hilfe, aber das war ihm jetzt egal. Er kaufte zwei Flaschen Wein und wählte wie gewöhnlich eine italienische Sorte. Als er wieder auf die Straße hinaustrat, klingelte sein Handy. Er stellte die Tüte ab und meldete sich.
Es war Elena. »Ich wollte nur wissen, warum du nicht anrufst.«
Stefan hatte sofort ein schlechtes Gewissen. Er hörte an ihrer Stimme, wie traurig und verletzt sie war. »Es geht mir nicht gut«, sagte er entschuldigend.
»Bist du immer noch in Sveg?«
»Wo sollte ich sonst sein?«
»Was machst du da eigentlich?«
»Das weiß ich selbst nicht. Vielleicht warte ich darauf, zu Herbert Molins Beerdigung zu gehen.«
»Möchtest du, daß ich komme? Ich kann mir freinehmen.«
Beinah hätte er ja gesagt. Er wollte, daß sie kam. »Nein«, sagte er statt dessen. »Ich glaube, es ist am besten für mich, wenn ich allein bin.«
Sie fragte nicht noch einmal. Das Gespräch ging noch eine Weile hin und her, ohne daß etwas gesagt wurde. Hinterher fragte er sich, warum er nicht ehrlich gewesen war. Warum hatte er Elena nicht gesagt, daß sie ihm fehlte? Daß es ihm
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