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Die Rückkehr des Tanzlehrers

Die Rückkehr des Tanzlehrers

Titel: Die Rückkehr des Tanzlehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Weg. Immer noch sah er kein Haus, aber plötzlich kam ihm jemand entgegen. Eine Person, die sich aus dem Nebel löste. Es war ein junger Mann mit kurzgeschnittenen Haaren, ordentlich mit einer Lederjacke und einem hellblauen Hemd bekleidet, das am Hals offenstand. Stefan sah, daß er durchtrainiert war.
    »Was tun Sie hier?«
    Die Stimme klang schrill, fast schreiend.
    »Ich suche Emil Wetterstedt.«
    »Warum?«
    »Ich will mit ihm sprechen.«
    »Wer sind Sie? Wie kommen Sie darauf, daß er mit Ihnen sprechen will?«
    Stefan ärgerte sich über das Verhör, dem er sich unterziehen mußte. »Ich möchte mit Emil Wetterstedt sprechen. Außerdem kann ich Ihnen sagen, daß ich Polizist bin.«
    Der Junge starrte ihn an. Er hatte Kaugummi im Mund. Seine Kiefer mahlten. »Warten Sie hier«, sagte er. »Gehen Sie nirgendwo hin.«
    Der Junge wurde wieder vom Nebel verschluckt. Stefan folgte ihm langsam. Nach ein paar Metern tauchte ein Haus aus dem Nebel auf. Der Junge verschwand durch die Tür. Das Haus war weiß. Ein gekalktes längliches Haus mit einem Seitenflügel an einem der Giebel. Stefan wartete. Er fragte sich, wie wohl die Landschaft aussah. Wie nah oder wie weit entfernt das Meer war.
    Die Tür öffnete sich wieder, und der Junge trat zu ihm hinaus. »Ich habe Ihnen gesagt, daß Sie warten sollen«, schrie er mit seiner schrillen Stimme.
    »Es geht nicht immer alles so, wie man gern möchte«, antwortete Stefan. »Empfängt er mich oder nicht?«
    Der Junge nickte ihm zu, ihm zu folgen. Im Haus roch es nach Farbe. Es brannte Licht. Stefan mußte den Kopf einziehen, als er durch die Tür trat. Der Junge führte ihn in ein Zimmer auf der Rückseite des Hauses, in dem die eine Längswand aus einem einzigen großen Fenster bestand.
    Emil Wetterstedt saß in einer Ecke in einem Sessel. Er hatte eine Wolldecke über den Knien, auf einem Tisch neben ihm lagen ein Bücherstapel und eine Brille. Der Junge stellte sich hinter den Sessel. Der alte Mann hatte dünnes, weißes Haar, sein Gesicht war zerfurcht. Aber der Blick, den er auf Stefan richtete, war vollkommen klar.
    »Ich mag es nicht, während meines Urlaubs gestört zu werden«, sagte er.
    Seine Stimme war das genaue Gegenteil von der schrillen Stimme des Jungen. Wetterstedt sprach sehr tief.
    »Ich werde mich kurz fassen.«
    »Ich nehme keine Aufträge mehr für Porträts entgegen. Ihr Gesicht könnte mich im übrigen nie inspirieren. Es ist viel zu rund. Ich ziehe längliche Gesichter vor.«
    »Ich bin nicht hergekommen, um ein Porträt von Ihnen malen zu lassen.«
    Emil Wetterstedt änderte seine Sitzposition. Die Wolldecke über seinen Beinen rutschte herunter. Sofort war der Junge da und legte sie wieder zurecht.
    »Weshalb sind Sie dann gekommen?«
    »Ich heiße Stefan Lindman und bin Kriminalbeamter. Ich habe einige Jahre lang mit Herbert Molin in Boras zusammengearbeitet. Ich bin nicht sicher, ob Sie wissen, daß er tot ist?«
    »Ich bin darüber informiert worden, daß er ermordet wurde. Weiß man schon, von wem?«
    »Nein.«
    Emil Wetterstedt winkte zu einem freien Stuhl hin. Der Junge zog ihn widerwillig für Stefan heran.
    »Von wem haben Sie die Information über Herbert Molins Tod erhalten?«
    »Ist das wichtig?«
    »Nein.«
    »Ist das hier ein Verhör?«
    »Nein, nur ein Gespräch.«
    »Ich bin zu alt für Gespräche. Ich habe damit aufgehört, als ich sechzig wurde. Ich spreche nicht, und ich höre nicht darauf, was andere Menschen sagen. Mit Ausnahme meines Arztes und einer geringen Anzahl junger Menschen.«
    Er lächelte und nickte dem Jungen zu, der neben seinem Sessel Wache stand. Stefan war auf einmal sonderbar zumute. Wer war dieser Junge? Der Diener des alten Mannes?
    »Sie sind hierher gekommen, weil Sie mit mir über Herbert Molin sprechen wollen. Aber was wollen Sie eigentlich wissen? Und was ist eigentlich passiert? Herbert ermordet?«
    Stefan beschloß schnell, alle Umwege zu vermeiden. Für Wetterstedt konnte es kaum von Bedeutung sein, wenn er wußte, daß Stefan eigentlich nichts mit der Mordermittlung zu tun hatte. »Uns fehlen noch direkte Anhaltspunkte. Sowohl das Motiv als auch den Täter betreffend«, sagte er. »Das bedeutet, daß wir in die Tiefe gehen müssen. Wer war Herbert Molin? Läßt sich das Motiv in seiner Vergangenheit finden? Das sind die Fragen, die wir uns selbst und anderen stellen. Menschen, die ihn gekannt haben.«
    Emil Wetterstedt saß schweigend da. Der Junge betrachtete Stefan weiterhin mit unverhohlenem

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