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Die Rückkehr des Tanzlehrers

Die Rückkehr des Tanzlehrers

Titel: Die Rückkehr des Tanzlehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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einem Zimmer Ausschau hielt.
    Früh am nächsten Tag ging er zum Wasser hinunter. Im Morgennebel über dem Sund waren die Umrisse der Brücke nach Öland hinüber zu erkennen. Er ging bis zum Strand, blieb stehen und schaute auf das nur schwach bewegte Wasser. Die lange Autofahrt steckte ihm noch in den Gliedern. Zweimal hatte er geträumt, daß ihm große Lastwagen entgegenkamen. Er hatte auszuweichen versucht, doch zu spät, und er war aus dem Traum herauskatapultiert worden.
    Das Hotel lag im Stadtzentrum. Durch die dünne Wand hatte er lange einer Frau zugehört, die offensichtlich telefonierte. Nach einer Stunde hatte er an die Wand geklopft, und sofort hatte das Gespräch aufgehört. Bevor er einschlief, lag er da und starrte an die Decke und fragte sich, warum er eigentlich hergekommen war. Wollte er vielleicht nur so lange wie möglich vermeiden, nach Boras zurückzukehren? War er der Gesellschaft Elenas müde geworden, ohne daß er wagte, es sich selbst einzugestehen? Er wußte es nicht. Aber er zweifelte daran, daß die Reise nach Kalmar ausschließlich auf Neugier in bezug auf Herbert Molins Vergangenheit beruhte.
    Die Wälder Härjedalens lagen schon in weiter Ferne. Jetzt gab es nur noch ihn selbst, die Krankheit und dreizehn Tage, bis er sich zu seiner Behandlung einfinden sollte. Sonst nichts. Stefan Lindmans dreizehn Tage im November, dachte er. Wie werde ich sie in zehn oder zwanzig Jahren sehen, falls ich so lange leben sollte? Er versuchte nicht, die Frage zu beantworten, sondern wanderte wieder der Stadt zu, ließ das Wasser und den Nebel hinter sich. Er ging in ein Cafe, holte sich eine Tasse Kaffee und lieh sich ein Telefonbuch.
    Es gab nur eine Person namens Wetterstedt in Kalmar. Emil Wetterstedt, Künstler. Er wohnte in der Lagmansgata. Stefan schlug die Seite mit dem Stadtplan auf und fand die Straße sofort im Stadtzentrum, nur einige Straßen von dem Cafe entfernt. Er holte sein Handy hervor, doch plötzlich fiel ihm ein, daß es kaputt war. Könnte er nur eine neue Batterie bekommen, würde es wieder funktionieren. Ich kann einfach hingehen und klingeln, dachte er. Aber was soll ich sagen? Daß ich ein Freund von Herbert Molin war? Das wäre eine Lüge, wir sind nie Freunde gewesen. Wir haben auf derselben Polizeistation gearbeitet, im selben Polizeidistrikt, und einmal haben wir zusammen einen Mörder gesucht. Das war alles. Dann und wann hat er mir gute Ratschläge gegeben. Doch ob sie wirklich so gut waren, wie es mir jetzt erscheint, kann ich nicht sagen. Ich kann aber auch kaum hingehen und behaupten, ich hätte gern ein Porträt von mir in Auftrag gegeben. Man kann wohl annehmen, daß Emil Wetterstedt ein alter Mann ist. Genauso alt wie Herbert Molin. Ein alter Mann, der sich nichts mehr aus der Welt macht.
    Er trank den Kaffee in kleinen Schlucken. Als er seine Ideen eine nach der anderen verworfen hatte, blieb nur noch eins übrig. An Emil Wetterstedts Tür zu klingeln und zu sagen, daß er Polizist sei und gern mit ihm über Herbert Molin sprechen wolle. Was dann geschehen würde, hing ganz von Wetterstedts Reaktion ab.
    Er trank den Kaffee aus und verließ das Cafe. Die Luft war anders als in Härjedalen. Dort war sie trocken und leicht gewesen, während die Luft, die er jetzt in die Lungen zog, feucht war. Die Geschäfte hatten noch geschlossen, aber als er zu Emil Wetterstedts Adresse ging, sah er einen Laden, in dem Mobiltelefone verkauft wurden. Er fragte sich abwesend, ob alte Porträtmaler vielleicht morgens lange schliefen?
    Das Haus in der Lagmansgata hatte drei Geschosse. Eine graue Fassade, ohne Balkons. Die Haustür war nicht verschlossen. Am Namensschild sah er, daß Emil Wetterstedt im obersten Stockwerk wohnte. Einen Aufzug gab es nicht. Der alte Mann muß kräftige Beine haben, dachte er. Irgendwo schlug eine Tür zu. Es hallte im ganzen Treppenhaus wider. Als er die drei Treppen hinaufgekommen war, merkte er, daß er atemlos war.
    Es erstaunte ihn, daß seine normalerweise so gute Kondition vollkommen verschwunden zu sein schien.
    Er drückte auf den Klingelknopf und zählte stumm bis zwanzig. Dann drückte er noch einmal. Er konnte im Innern der Wohnung kein Läuten hören. Er klingelte ein drittes Mal. Es wurde immer noch nicht geöffnet. Er klopfte, wartete und schlug schließlich mit der Faust gegen die Tür. Die Tür hinter ihm wurde geöffnet. Ein älterer Mann im Morgenrock schaute heraus.
    »Ich suche Herrn Wetterstedt«, sagte Stefan. »Aber vielleicht

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