Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08
kannten, wegen ihrer zarten Schönheit Filigran gerufen wurde. Und als die Zeit erfüllt war, gebar auch Filigran Söhne, erst einen, dann noch einen. Allein das hätte der Ersten und Pechnase einen Geschichtenschatz gesichert und sie stolz gemacht, denn im Lauf der Jahrtausende ist es nur höchst selten vorgekommen, dass zwei Riesinnen solchen Kindersegen bejubeln konnten. Aber Filigran und Frohgeburt waren noch nicht fertig. Einige Jahrzehnte später wurde ihnen ein dritter Sohn geschenkt.
Nun war unser Jubel grenzenlos. Wir Riesen haben schon immer am Rand des Aussterbens gelebt. Unser Seefahrertum ist an sich gefährlich, den Verlust von Riesen, die später die Entwurzelten des Landes wurden, haben wir bitter bereut, und unsere Kinder sind nicht zahlreich, wie ich schon gesagt habe. Die Söhne von Filigran und Frohgeburt waren für uns Anlass zu neuer Hoffnung: ein Versprechen, das Geschlecht der Riesen habe seine verlorene Vitalität zurückgewonnen.«
Flackernder Flammenschein ließ Licht und Schatten über Kaltgischts Gesicht ziehen. »Linden Avery, der dritte Sohn von Gischtschwall und Pechnase war Lobpreis Welterweiterung. Aber bei den Riesen der Heimat heißt er jetzt Verlorenersohn, und wir Schwertmainnir nennen ihn Langzorn.«
Im Stillen seufzte Linden vor Mitleid mit Pechnase und der Ersten, aber sie unterbrach die Erzählung der Eisenhand nicht.
»Schuld daran war ich«, fuhr Raureif Kaltgischt fort, »wenn der Begriff ›Schuld‹ in solchen Dingen überhaupt anwendbar ist. Welterweiterung fühlte sich, was bei unseren Männern selten ist, zur Kunst der Schwertmain hingezogen. Im Scherz sagen wir manchmal, unsere Männer seien für den Kampf zu weichherzig, aber in Wirklichkeit ist es nur so, dass ihre Leidenschaften anders strukturiert sind. Alle Riesen lieben Steine und das Meer – Beständigkeit in Ruhe, Beständigkeit in Bewegung. Aber die Verehrung unserer Männer ist direkter. Sie fühlen sich zum Bau von Schiffen und Häusern hingezogen, die auf Dauerhaftigkeit angelegt sind. Vielleicht weil die Freuden, die Geburten und Kinder bringen, seltener und flüchtiger sind, streben die Frauen nach Fertigkeiten und Zielen, die ebenfalls flüchtig sind. So kommt es, dass wir nur Frauen sind, wie du gesehen hast.«
Während die Eisenhand sprach, kamen Böenruh und Steinmangold mit großen Händen voller Aliantha ans Feuer zurück und machten sich wortlos daran, Linden und ihren Gefährten großzügig von ihren Schatzbeeren abzugeben. Linden nahm ihre Portion dankend entgegen und begann zu essen, obwohl sie sich des eigenen Hungers kaum bewusst war. Ihre Aufmerksamkeit war ganz auf Raureif Kaltgischt konzentriert.
»Lobpreis Welterweiterung wollte sich jedoch den Schwertmainnir anschließen«, fuhr Kaltgischt ohne Pause fort, »und so wurde er willkommen geheißen. In der Ausbildung hat sich gezeigt, dass er an Kraft und Geschicklichkeit allen überlegen und für den Umgang mit dem Schwert und allen anderen Waffen wie geboren war. Wäre unser jetziger Zug eine Suche und er bei klarem Verstand, wäre er zweifellos der Erste der Sucher.«
Sie senkte kurz den Kopf, dann hob sie ihr Gesicht und ihren Mut den gleichgültigen Sternen entgegen. »Aber unser Zug ist keine Suche. Er wird nicht von Erd-Sicht geleitet. Er ist eine kummervolle Wanderung, und auf unsere Weise haben wir uns ebenso verirrt wie Verlorenersohn Langzorn.
Als Welterweiterung unsere Waffen beherrschte, ist mir die Aufgabe zugefallen, ihn Listigkeit zu lehren. Von Listigkeit sprechen wir oft scherzhaft, aber die Raffinesse, die ich meine, ist jene Eigenschaft, die Geschicklichkeit erst in eine Kunst verwandelt. Ich bin nicht die Eisenhand, weil ich die beste Kämpferin der Schwertmainnir bin ...«
»Dass sie das nicht ist, steht fest«, warf Graubrand liebevoll ein.
»... sondern weil ich andere, die besser sind als ich, besiegen kann. Deshalb war es mir ein besonderes Anliegen, Lobpreis Welterweiterung auszubilden.
Wegen seiner Begabung und seines jugendlichen Elans hatte ich schon nach wenigen Jahrzehnten große Mühe, mich gegen ihn zu behaupten. Und durch ein Verhängnis oder einen unglücklichen Zufall habe ich eines Tages seine Fortschritte im Waffenhandwerk unterschätzt. Nicht durch Stärke, sondern durch List habe ich ihn dazu gebracht, sich in der Abwehr eine scheinbare Blöße zu geben, die ich ausgenutzt habe, um ihm mein flaches Schwert – eine stumpfe Steinklinge, wie sie die Schwertmainnir in der Ausbildung benutzen
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