Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08
Stattdessen hatten wir den Eindruck, jedes Aussprechen verstärke seine Geistesgestörtheit. Als ob er die Gabe der Erd-Sicht durch Anwachsung erhielte.«
Kaltgischt nickte. »Die Bhrathair haben bald angefangen, seine Gewalttätigkeit zu fürchten. Also haben sie sich mit der Herstellung der Fesseln beeilt. Und sobald er mit Eisen gefesselt war, glaubten wir ihn hilflos. Diese Fesseln konnte er nicht mehr zerreißen. Als er passiv blieb, haben wir uns bemüht, unsere restlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Die Schwertmainnir wurden allmählich selbstgefällig. Ich bin selbstgefällig geworden. Weil wir auf Eisen vertraut haben, haben wir uns der Besatzung der Unheilsbotin angeschlossen, um die übernommenen Arbeiten zu beschleunigen. Aber wir waren in der Tat närrisch, wie er uns oft vorgeworfen hatte. Während unserer Abwesenheit aus dem Hauptturm ist er aus seinen Fesseln entkommen, hat sie ungeöffnet und unbeschädigt zurückgelassen.«
Joan, dachte Linden. O Gott! Die an ihr Bett fixierte Exfrau Covenants war über Wochen hinweg mehrmals auf unerklärliche Weise freigekommen.
»Und diesmal ist er uns entkommen«, berichtete Kaltgischt grimmig. »Wir haben keine Spur von ihm gefunden – weder im Hafen noch an Bord irgendeines Schiffs noch irgendwo entlang dem Sandwall. Klar war nur, dass er in die Waffenkammer der Sandbastei eingebrochen war, dort die Wächter in die Flucht geschlagen, sich ein Schwert beschafft hat – und dann anscheinend wie die Sandgorgonen vor ihm im Meer verschwunden ist. Als unsere Suche sich als zwecklos erwies, wollten wir wieder auslaufen, weil wir glaubten, Langzorn sei entkommen und der Zweck unserer Reise unerreichbar. Unsere Abreise wurde sofort genehmigt, denn die Bhrathair hatten gelernt, unsere Anwesenheit für kostspielig zu halten. Aber als der Hafenmeister uns an Bord der Unheilsbotin begleitet hat, sind wir dort auf Langzorn gestoßen, den wir zuvor überall gesucht hatten. Mit seinem neuen Schwert auf dem Rücken hat er wie eine Galionsfigur am Bug gestanden. Er hat sich nicht gewehrt, als wir ihn in Fesseln gelegt haben, aber er wollte seinen Platz auf keinen Fall verlassen. Und als wir versucht haben, ihm das Schwert aus der Scheide zu ziehen, hat er einen schäumenden Tobsuchtsanfall bekommen. Also haben wir ihn gelassen, wo er war: gefesselt und bewaffnet und wieder ruhig, mit in die Ferne gerichtetem Blick. Bevor wir ausgelaufen sind, hat der Hafenmeister uns noch mitgeteilt, Langzorn blicke in die Richtung, in die die Sandgorgonen verschwunden seien.«
Natürlich, seufzte Linden voller Trauer in der Dunkelheit. Natürlich. Sie drückte ihren Stab an sich, sah zu Raureif Kaltgischt auf und versuchte, sich ihre Ängste nicht anmerken zu lassen. Lord Foul rief seine Verbündeten zusammen. Und auch Joan war nicht ansprechbarer oder zugänglicher, aber wenigstens ruhiger geworden, als Linden sie »bewaffnet« hatte, indem sie ihr ihren Ehering zurückgegeben hatte.
»Linden Avery«, sagte die Eisenhand bedauernd, »wir haben vor einem allumfassenden Rätsel gestanden – und waren gänzlich ratlos. Obwohl Erd-Sicht bei uns nur selten auftritt, hatte sie sich noch nie in mörderischer Wut manifestiert. Und wir hatten es nicht geschafft, unseren Schutzbefohlenen zu bändigen. Tatsächlich konnten wir ihn kaum noch als unseren Gefangenen bezeichnen, weil seine Verrücktheit oder Theurgie uns überlistet hatte.
Also haben wir uns beraten, die Schwertmainnir und die Besatzung der Unheilsbotin. Nach langer Diskussion haben wir beschlossen, unsere Gegenwehr für einige Zeit aufzugeben. Solange nichts dagegensprach, würden wir den Kurs halten, den Langzorns Wünsche vorgaben, denn so würden wir hoffentlich seiner Verrücktheit auf den Grund kommen.
Und so wurde Verlorenersohn Langzorn unser Leitstern auf der Unheilsbotin.
Unterdessen war es Winter geworden. Auf den Meeren, die wir befuhren, tobten Winterstürme von sagenhafter Heftigkeit, und doch haben wir weder Stürme noch Flauten erlebt. Von Langzorns Blick geführt, trafen wir nur ruhige See und günstige Winde. Seine Hand- und Fußfesseln sind nicht abgefallen. Als er sein Schwert behalten durfte, hat er Nahrung und Pflege akzeptiert und keinem etwas getan. Und bald haben sogar unsere gröbsten Berechnungen gezeigt, dass sein Gesicht dem Land zugekehrt war.«
Liand und Pahni hielten einander mit wachsendem Verständnis im Blick an den Händen, Bhapa hielt den Kopf gesenkt, die Hände des Mähnenhüters waren
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