Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08
hat?«
Alle einstige Größe ist vergessen.
Falls ihre Frage ihn verwunderte, ließ Stave sich nichts davon anmerken. »Es gibt eine Geschichte«, sagte er bedächtig. »Allerdings sind nicht alle Einzelheiten bekannt. Der Ur-Lord konnte sich selbst nicht genau erinnern. Da er Amanibhavam gegessen hatte, hat er einige Zeit im Delirium gelegen und die Ereignisse nur bruchstückhaft behalten.«
Hinter den Bäumen sank die Sonne tiefer. Ihr Licht verließ den Seelentrost, sodass der Egger im Halbdunkel fast unsichtbar war.
»In jenem unnatürlichen Winter, den Hoch-Lord Elena dem Land auferlegt hatte«, fuhr Stave fort, »indem sie den Stab des Gesetzes im Dienst des Verderbers genutzt hat, hat der Zweifler in einem Schlupfwinkel der Ramen Zuflucht gefunden. Dieses Versteck wurde jedoch belagert, und er ist geflohen. Allein und halb erfroren musste er sich eines weiteren Dieners der Verderbnis erwehren. Von Ranyhyn unterstützt hat Lena, die Mutter Elenas, ihm das Leben gerettet. Aber dabei ist Lena umgekommen, und der Ur-Lord hat sich einen Knöchel gebrochen. Er hat sich geweigert, die Ranyhyn zu reiten. Vielmehr hat er sie freigelassen, damit sie jenem harten Winter entkommen konnten.«
»Ganz recht«, bestätigte Mahrtiir, der Stave jetzt wie alle anderen aufmerksam zuhörte. »So wird die Geschichte auch bei den Ramen erzählt.«
»Anfangs«, erläuterte Stave, »ist er ziellos umhergeirrt. Auf irgendeine Weise wurde er jedoch von der Grenze des Wanderns in den Morinmoss geleitet. Ihm ist es vorgekommen, als rufe ihn ein Lied des Forsthüters – ein Lied, das ihn in die Obhut einer unbekannten Frau gerufen hat. Dann hat sein Gedächtnis versagt. Er ist erst wieder zu sich gekommen, als seine Verletzungen geheilt waren – sein Knöchel und sein von Amanibhavam geschädigter Verstand – und die Frau tot dalag.
Trifft es zu, dass er von einem Forsthüter in den Morinmoss gerufen und dort auf Drängen eines Forsthüters geheilt wurde, kann man wahrlich sagen, er sei durch die Kraft von Holz und Saft und Lied ›erlöst‹ worden. Und später hat ihm das kurze Erwachen des Kolosses geholfen, als er Hoch-Lord Elena gegenübertreten musste und machtlos war.«
Die Riesinnen hörten ihm fasziniert zu, die Ramen zustimmend und anerkennend. Die Gedemütigten hingegen schienen auf nichts anderes zu achten als die schemenhafte Gestalt des Eggers. Aber Liand war mit Staves Erklärung nicht einverstanden. Sobald der ehemalige Meister fertig war, wandte er ein: »Linden, das verstehe ich nicht. Anele hat schon oft vieles enthüllt, was andere nicht wahrnehmen können oder wollen. Aber was hat diese Geschichte mit dem Egger zu schaffen?«
Linden empfand undefinierbare Erleichterung: ihre Verwirrung schwand. Hier in Andelain – und unter den Toten, auch in deinem Herzen – gibt es mehr, als Lord Foul sich vorstellen kann. Wieder einmal entdeckte sie, dass Aneles rätselhafte Äußerungen Substanz besaßen. Denk daran, dass er die Hoffnung des Landes ist.
»Nichts«, erklärte sie Liand. »Nicht direkt.« Alles hing irgendwie zusammen: der Untergang des Einholzwalds und der Tod der Forsthüter ebenso wie das schreckliche Ende der Mahdoubt und Esmers widersprüchliches Wesen. »Ich versuche nur, mir vorzustellen, was eine Einigung mit dem Egger kosten könnte.« Sie war entschlossen, ihren Sohn um jeden Preis zu retten – aber sie wollte diesen Preis auch selbst festlegen. »Die Flammengeister haben Langzorn abgewiesen. Aber ihn ignorieren sie. Das muss etwas bedeuten.«
Im Widerspruch liegt Hoffnung.
Das Gesetz des Lebens war in Andelain gebrochen worden. Elena hatte das Gesetz des Todes in den Tiefen unter dem Melenkurion Himmelswehr gebrochen. In beiden Fällen hatte Covenant ein Mittel gefunden, das Land zu retten.
Raureif Kaltgischts Stimme war ein tiefes Grollen. »In dieser Sache können wir dir nicht raten. Für uns sind Kinder unendlich kostbar. Die Schwertmainnir und die Riesen der Unheilsbotin gleichermaßen haben ihr Leben für Langzorns unerreichbare Erlösung aufs Spiel gesetzt. Aber du hast deinen Zweck bisher nicht genannt. Da wir nicht wissen, was du beabsichtigst, können wir die Wirkung der Anwesenheit des Eggers nicht beurteilen.«
Ein Augenblick verging, ehe Linden erkannte, dass alle ihre Gefährten auf ihre Entscheidung warteten.
»Also gut.« Ihr Entschluss stand bereits fest. »Ich will hören, was er zu sagen hat. Aber ich lasse mich auf nichts ein, ehe ich den Krill habe. Ich traue ihm
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