Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08
nicht.
Stave deutete ein Schulterzucken an. »Der Alte will niemandem schaden. Und seine Macht ist die Andelains. Hier ist er im Mutterleib verwandelt und geboren worden.«
»Was ist dann mit Langzorn?«, wollte Linden wissen. Obwohl der Egger anscheinend nicht zuhörte, richtete sie ihre Fragen weiter an ihn. »Ist er besessen?« Nein, dachte Linden. Hätte ein Wüterich – oder ein ähnliches Wesen – ihn beherrscht, hätte sie seine Gegenwart spüren müssen. »Haben die Flammengeister ihn nur abgewiesen, weil er mich ermorden will?«
Nun wandte der Egger sich ihr erneut zu: »Das täte ich an ihrer Stelle.« Sein Tonfall klang weiter spöttisch, aber sein Benehmen wirkte gelangweilt oder abgelenkt. »Habe ich nicht gesagt, dass deine Macht dir steht? Andere mögen deinen Tod wünschen. Ich gehöre nicht zu ihnen. Was jedoch diesen Riesen betrifft, der dir nach dem Leben trachtet ...«
Er machte eine Pause, als rechne er damit, unterbrochen zu werden. Aber Linden wartete, auch ihre Gefährten schwiegen, und der Egger fuhr fort: »Sein Schwert ist nicht uninteressant. Es ist vor Jahrtausenden geschmiedet worden, als Kasreyn von dem Wirbel die Sandgorgonen gefürchtet hat, weil er ihren Schrecken noch nicht erschaffen hatte. Er wollte eine Waffe, mit der er diese wilden Ungeheuer erlegen konnte. Deshalb hat er mit Hilfe der Croyel den Flamberg geschmiedet – in den Händen eines eingeweihten Besitzers eine schreckliche Waffe. Aber ihr Zweck war erfüllt, als die Sandgorgonen in dem Sturmwirbel eingekerkert waren. Durch Nichtbenutzung verblasst seine Theurgie allmählich.«
Linden starrte ihn verblüfft an. »Hat das die Flammengeister angezogen? Sein Schwert? «
»Lady«, antwortete der Egger spöttisch, »ich habe gesagt, dass sein Schwert nicht uninteressant ist. Es fasziniert mich nicht. Und die Geister sind unwichtig. Sie verkörpern lediglich die Macht von Loriks Krill. Als Geschöpfe Andelains vermehren sie seine Schönheit. Weit größere Wesen bevölkern die Hügel – darunter eines von großer Arroganz und Selbstgefälligkeit.«
Sie schüttelte den Kopf und bemühte sich, ein unbestimmtes Flüstern zu überhören. Weit größere Wesen ... Sprach er von den Toten?
Linden kehrte hartnäckig zu ihrer eigentlichen Frage zurück. »Was du willst, weiß ich. Du hast versucht, es mit Gewalt an dich zu bringen, aber das hat nicht geklappt. Deshalb soll ich jetzt nach deiner Hilfe verlangen.« Ich kann dich zu deinem Sohn bringen. »Auf diese Weise kannst du eine ›Entschädigung‹ fordern. Also gut, sprechen wir darüber. Wird es nicht Zeit, dass du mir einen Handel vorschlägst? Bist du nicht deshalb hier?«
»Einerseits ja«, antwortete er, »aber dann doch wieder nicht. Im Augenblick wäre es unsinnig, feilschen zu wollen. Jemand ist auf dem Weg hierher, der meine Wünsche bedenkenlos ignorieren würde. Ich habe keine Lust, die Demütigung zu erleiden, dass sie beiseitegewischt werden. Deshalb werde ich eine bessere Gelegenheit abwarten, um von deinem Sohn zu sprechen.«
Linden runzelte die Stirn. Die Andeutungen von Geräuschen, die sie zu überhören versuchte, wurden immer deutlicher. Man konnte sie beinahe ...
Im nächsten Augenblick erkannte sie, dass sie die zarten Klänge eines Glockenspiels hörte: sanfte Töne, melodisch und unpräzise zugleich, voller Andeutungen wie ein exotisches Parfüm. Linden stockte fast der Atem, als sie diese vertrauten Klänge erkannte.
Instinktiv bestürzt wandte sie sich mit Hyn von dem Egger ab.
»Linden?«, fragte Liand überrascht. Stave und die Gedemütigten sahen sich wachsam nach Gefahren um, und die Schwertmainnir murmelten Riesenflüche. Die anderen aber konnten nicht hören, was sie wahrnahm; das wusste Linden. Vor langer Zeit hatten diese Klänge sie mit Aufruhr und Verwirrung erfüllt – und keiner ihrer Gefährten hatte etwas davon geahnt, nicht Covenant, nicht die Riesen der Suche, nicht einmal die Haruchai.
Hinter ihr sagte der Egger voller Sarkasmus: »Keine Aufregung, Lady. Deine Sorge ist grundlos. Hier kämpfen keine Mächte gegeneinander.«
Linden ignorierte ihn; sie ignorierte auch ihre Freunde. Sorgenvoll und ängstlich zugleich beobachtete sie, wie ein Teil der Abenddämmerung von Andelain zusammenfloss und sich verdichtete, als nehme die Seele der Hügel Form an. Und mit den melodisch-süßen Klängen eines Glockenspiels geschmückt trat eine Frau aus dem abendlichen Zwielicht und nahm Gestalt an.
Sie war groß und biegsam,
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