Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08
war, die nervöse Anspannung vielleicht, die Strapazen der letzten Tage ... Doch dann fielen ihr ihre Freunde ein, und sie sprang aus dem Bett und lief zur Tür.
Erst als sie draußen Stave stehen sah, der Mahrtiir und Liand, aber auch Pahni, Bhapa und Anele mitgebracht hatte, wurde Linden klar, dass sie die Ankunft eines Boten gefürchtet hatte – vielleicht mit einer weiteren Vorladung zu Covenant und Jeremiah, vielleicht mit der Schreckensbotschaft, die Dämondim hätten ihren Angriff begonnen. Unbeholfen, als fürchte sie, alle könnten in einen ihrer undeutbaren Träume verschwinden, bat sie ihre Gefährten, einzutreten und suchte dann den Flur nach den Gedemütigten oder anderen Unannehmlichkeiten ab. Doch der Korridor vor ihrer Tür war leer, und auch sonst spürte sie keinerlei Bedrohung, die von den glatten Steinwänden ausging. Mit einem tiefen Atemzug schloss sie die Tür, verriegelte sie und wandte sich ihren Freunden zu. Dass deren Mienen trotz der Sorge, die darin geschrieben stand, Gesundheit und Kraft ausstrahlten, machte sie froh. Die nachlassende Wirkung von Kevins Schmutz hatte ihnen eine Vitalität verliehen, die alle außer Anele und Stave selbst mit einer fast greifbaren Aura umgab. Nun wusste sie, was Mahrtiir und der ehemalige Meister an ihr gesehen hatten, als sie vom Glimmermere zurückgekommen war. Die fast unheimliche Wirkung des Wassers hatte ihre Prellungen, ihre Müdigkeit und vielleicht sogar ihre Zweifel von ihnen abgespült. Und sie stellte erleichtert fest, dass die Wirkung des Heilwassers länger anhalten würde als die verhältnismäßig flüchtige Wiederherstellung, die sie früher an diesem Tag mit ihrem Stab bewirkt hatte. Kevins Schmutz würde nicht so rasch wieder Gewalt über ihre Freunde erlangen.
Für Liand musste das Erlebnis Glimmermere noch aufrüttelnder als für die Ramen gewesen sein: Er musste das Gefühl gehabt haben, ein Erbe zu empfangen – ein Geburtsrecht, das ihm grausam entzogen worden war, obgleich er sein Leben lang ein Anrecht darauf gehabt hätte. Im Vergleich dazu wirkte Staves gewohnter Gleichmut fast finster. Anele murmelte Unverständliches vor sich hin, war anscheinend in privaten Dissoziationen versunken, weil er auf bearbeitetem Stein stand. Trotzdem schienen seine blicklosen Augen Linden zu betrachten, als verstehe er trotz seiner Verrücktheit die Bedeutung dessen, was ihr widerfahren war.
Am liebsten hätte Linden einfach nur dagestanden und sich an der neu gewonnenen Kraft ihrer Gefährten erfreut, hätte ihnen Essen und Trinken und Wärme angeboten und ihnen Fragen gestellt, um sie von ihrer eigenen Not abzulenken. Doch Liand kam ihr zuvor: »Linden«, flüsterte er fast ängstlich. »Himmel und Erde! Es scheint mir, als wärest du weniger schlimm verwundet worden, wenn dir die Meister einen Dolch ins Herz gestoßen hätten.«
Linden ließ unwillkürlich den Kopf hängen, als schäme sie sich. Sein impulsives Mitgefühl ließen erneut Tränen ihre Kehle emporsteigen. Doch die Folgen ihrer Begegnung mit Covenant und Jeremiah glichen bereits der Schneide des Zorns, der sie nach dem Rösserritual angetrieben hatte. Brach dieser Sturm jetzt los, würde sie nicht sprechen, sondern nur schluchzen können.
»Bitte nicht«, wehrte sie ab. »Mach kein so besorgtes Gesicht. Ich weiß, wie dir zumute ist. An deiner Stelle würde ich vermutlich ähnlich reagieren. Aber das hilft uns nicht weiter.«
Stave verschränkte die Arme vor der Brust, als wolle er sein Herz verschließen. »Dann sprich, Auserwählte. Welche Form der Hilfe benötigst du? Deine Qualen sind unübersehbar. Wir, die wir uns verpflichtet fühlen, dir beizustehen, können deine Not nicht sehen, ohne betroffen zu sein.«
Linden hob ruckartig den Kopf, und plötzlich verstand sie. Vielleicht ohne es zu wollen, hatte Stave sie daran erinnert, dass die Haruchai unter ihrem Stoizismus ein höchst leidenschaftliches Volk waren.
Das Band, das Mann und Frau verbindet, ist ein starkes Feuer in uns, hatte Brinn einst gesagt. Die Bluthüter hatten ihren Treueschwur den Lords gegenüber nicht nur gebrochen, hatte er ihr erklärt, weil diese sich als unwürdig erwiesen hatten, sondern vielmehr auch, weil sie um erwählter Treue willen, die nicht erwidert worden war, ihre Frauen hatten verlassen müssen. Die Opfer, die sie für ihren Schwur bringen mussten, waren unerträglich geworden. Und aus demselben Grund hatten Brinn und Cail Jahrtausende später Thomas Covenant den Dienst
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